Alle Jahre wieder, die wunderschöne Weihnachtszeit: Mit jedem frühen Abend erstrahlt die Innsbrucker Altstadt in funkelndem Lichterglanz und lädt am traditionsreichsten Christkindlmarkt der Stadt zum Genießen ein. Alles anders in diesem Jahr: Der große Tannenbaum steht ganz alleine da und auch die Stände fehlen. Nur aus der Riesengasse duften vertraute Erinnerungen, denn das Dengg führt seine Kiachl-Tradition dort trotzdem fort. Mit einem improvisierten Gassenverkauf gibt’s das Gustostückerl nun zum Mitnehmen. Chefin Helga ließ höchstpersönlich hinter die Kulissen der Backstube blicken – und lüftete sogar ein paar Geheimnisse der vielleicht schmackhaftesten Kiachl der Stadt.

FRÜHER ALLES ANDERS

Früher gab es in Innsbruck gar keinen Christkindlmarkt, erinnert sich Helga lebhaft. Damals war das Kiachl ein beliebter Klassiker in jeder Tiroler Küche – und längst nicht nur zur Winterzeit! Als einfache Werktagsspeise der Bauersleute war der frittierte Hefeteigling nahrhaft, billig und konnte schnell viele satt bekommen. Je nach Region und Familientradition gab es das Kiachl dann auch mit ganz unterschiedlichen Beilagen. Bei Oma Dengg in Kufstein beispielsweise zuerst pikant mit einer kräftigen Fisolensuppe und danach als Dessert mit Apfelkompott. Dass man das Kiachl in der Landeshauptstadt am liebsten mit Kraut genießt, ist natürlich den Innsbrucker Krautbauern geschuldet. Gerade während der Wintermonate war das herzhafte Sauerkraut ein beliebtes Grundnahrungsmittel, das sich zudem leicht und lange lagern ließ. Als die Stadt dann Mitte der 70er den allerersten Christkindlmarkt in der Innsbrucker Altstadt organisierte, war auch das Dengg-Kiachl geboren.

OMA‘S GEHEIMREZEPT

Hinter allen Köstlichkeiten steckt ein wohlgehütetes Geheimnis. Seit zwei Generationen betreibt Familie Dengg das schmucke Café in der Riesengasse. In diesem Jahr würde man sogar sein 45-jähriges Jubiläum feiern, zwinkert die Chefin schelmisch, wenn’s mit dem Feiern nur grad nicht so schwierig wäre. Als ich mich dann doch vorsichtig nach dem hauseigenen Kiachlgeheimnis erkundige, lacht Helga laut und grinst: Es gibt keines. Frisch müssen die Kiachl sein, nur dann schmecken Liebe und Leidenschaft am besten. Also doch ein bisschen Geheimnis? Prompt führt mich die Chefin in die improvisierte Backstube des Cafés und stellt ihre Meisterbäcker*innen persönlich vor: Kosa am Teigberg, Mira an der Fritteuse und der freundliche Bruno an der Ausgabe. Wir sind alle nur Aushilfen, lacht Küchenriese Radi, der hier seit 25 Jahren das Kraut kocht. Die Belegschaft ist so original wie die Kiachl selbst, schon das zweite Geheimnis.

ALLE JAHRE KIACHL

Früher wollte die Kiachl keiner, erinnert sich Chefin Helga an die Anfänge. Damals gab’s zum Glühwein lieber einen Grillteller, denn die Kiachl hatte man ja selbst daheim. Nach und nach ist der köstliche kleine Krapfen dann aber aus den Haushalten verschwunden – zu aufwändig, zu geruchsintensiv, zu ungesund. Die Erinnerung aber blieb. Und weil in der Weihnachtszeit ein bisschen Sünde selig macht, staut sich die längste Schlange alle Jahre wieder am altbewährten Kiachlstand. Dem Babyelefanten zuliebe hat man die Schlange nun kurzerhand in die Riesengasse verlegt und serviert das legendäre Kiachl mit Kraut (alternativ Preiselbeeren/Staubzucker) einfach zum Mitnehmen. Täglich von 11:00 bis 18:30 Uhr (Weihnachten bis 16:00 Uhr) und noch bis inklusive 05. Jänner 2021.

Fotos: © Chris Weit

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