Amras 16:00 Uhr. Eben noch genoss ich das urbane Leben von Innsbruck bei einem Espresso in der Altstadt. Als ich aus dem Auto steige, stehe ich zwar im Stadtteil Amras, nahe dem Shopping Center „DEZ“, bin aber mitten am Land: Eine Katze läuft mir entgegen, Vögel zwitschern, Kinder lachen. Beinahe überfahren mich zwei Jungs auf Fahrrad und Spielzeugtraktor – ganz ohne iPad oder Bluetooth-Lautsprecher. „Ich komme schon!“, ruft Anton Nagiller aus dem Obstgarten. Er ist gerade bei der Apfelernte.

Schnaps, Schnapsbrenner, Innsbruck

Der Kirschschnaps hat mir am besten geschmeckt. Foto: Vil Joda

Familien.Sache seit 1900

„Helfen die Kids nicht bei der Ernte mit?“, frage ich verwundert. „Doch, doch!“, beruhigt mich Toni und reicht mir kräftig seine Hand. „Beim Brennen sind sie live dabei, meistens auch beim Obstklauben.“ Auf dem Hof wird in der vierten Generation destilliert; jeder packt an, die Familie ist mit Begeisterung am Werk. Seit etwa 1900 wurde die Leidenschaft fürs Feuer immer wieder weiter gegeben – und zwar sprichwörtlich: „Wir arbeiten mit einem Brennkessel, der mit Holz befeuert wird“, strahlt Anton. Die ideale Brenntemperatur ist damit etwas schwieriger regelbar als mit einem Strom- oder Gasbrenner und braucht viel Übung. „Komm mit!“, fordert er mich auf. Wir gehen in den Verkostungsraum, in dem der Brennkessel steht; alles picobello, bäuerlich und romantisch.

Schnaps, Schnapsbrenner, Innsbruck

Beim Hoferbauer gibt’s Käse, Wurst und vieles mehr. sogar aus dem Automaten. Foto: Vil Joda

Sorten.Rein im Zeichen des Apfelschnaps

In der Abfindungsbrennerei wird nur hofeigenes Obst verwertet: Das macht eine Abfindungsbrennerei aus. Kirsche, Himbeere, Zwetschge, Birne, Apfel und Vogelbeere sind erhältliche Sorten. „Am liebsten mag ich Apfelschnaps“, gesteht mir Anton augenzwinkernd und schenkt mir ein Gläschen ein, in das ich meine Nase tauche und den Moment mit geschlossen Augen genieße. Zwei Momente. Viele seiner Edelbrände wurden bereits ausgezeichnet, Zucker wird keiner zugesetzt, Anton legt Wert auf höchste Qualität und Sortenreinheit. Nur beim Apfelschnaps experimentiert er ein wenig und veredelt ihn mit Heu, Ingwer, Quitte, Zirbe oder Wacholder; auch ein paar Liköre hat er im Sortiment.

Schnaps, Schnappsbrenner, Innsbruck

Apfel ist eine beliebteste und liebste Sorte. Foto: Vil Joda

 

Über die Grenze g´schaut oder g´schnapslt

Der Hoferbauer ist mit seiner kleinen Brennerei Teil der Tiroler Schnapsroute. „Das ist eine Bewegung, mit der die Schnapsbrennkunst des Landes in den Mittelpunkt gestellt wird.“ Im internationalen Vergleich brillieren wir nämlich mit hoher Qualität. „Dabei pflegen wir eine Obstbrennkultur, ohne selbst viel Obst zu haben“, sagt Anton. Ich höre ein wenig Stolz, zu Recht auch, Tiroler Schnaps ist weltweit hoch angesehen, obwohl wir kein Obstland sind. In Süddeutschland oder Südtirol wird wegen des wärmeren Klimas wesentlich mehr Obst angebaut als bei uns. Interessanterweise wird daraus wenig Schnaps: Obstreichtum bedingt also nicht immer eine Schnapsbrennkultur, trotzdem hat jedes Land seine eigene Tradition: Deutschland ist für Kornschnaps bekannt, die Schweiz für Kirschwasser, Südtirol für den Grappa und ganz weit im Osten macht man Wodka, der entgegen vieler Meinungen mehrheitlich aus Korn hergestellt wird und selten aus Kartoffeln.

Das „Gallische Dorf“ Amras

Zurück nach Innsbruck und Amras: Es hat wohl einen Grund, warum der Hoferbauer guten Schnaps erzeugt. Anton nennt es ein Gallisches Dorf, in dem die Dorfgemeinschaft mit Musik, Schützen und Freiwilliger Feuerwehr, entgegen dem Leben in der Stadt, intensiv und liebevoll gepflegt wird – wie auch die Liebe zum Schnaps. Der Ur-Amraser mag sein Dorf, seine Gemeinschaft und widmet sich dem Brennen ebenso innig mit Leib und Seele, ständig darum bemüht, so viel Frucht als möglich auf kleinsten Raum zu zaubern. „Das schaffst du selbst mit Marmelade nicht“, lacht er und schenkt mir noch ein paar Gläschen ein, die ich hingebungsvoll verkoste. Wer die Familie Nagiller besucht, möge ihr bitte liebe Grüße von mir ausrichten. Ich fand die Begegnung sehr schön und angenehm.

Den Schnapsbrenner Reinhold Zegg in Innsbruck habe ich im Stadtteil Allerheiligen besucht. Lest mal rein.

Fakten Hoferbauer

  • Hofladen: Verkauf von Kartoffeln, Speck, Wurst und allen Obstorten, aus denen Schnaps entsteht. Öffnungszeiten: Mo bis Sa, 17:00 bis 19:00 Uhr
  • Schnapssorten: Äpfel in etlichen Variationen, Kirsche, Himbeere, Zwetschge, Birne, und Vogelbeere.
  • Verkostung: zu den Öffnungszeiten
  • Tipp: In einer illustren Runde gibt’s´ bei Anton Nagiller auch Schnapsverkostungen mit Tiroler Jause
  • Mein Lieblingsschnaps: Ich habe natürlich lange und intensiv verkostet und bin bei der Kirsche immer wieder hängen geblieben, wieder, wieder und wieder…

 

Koordinaten:
Hoferbauer Anton Nagiller
Philippine Welserstraße 85
A – 6020 Innsbruck/Amras
T. +43 (0) 512 / 364819
M. +43 (0) 664 / 8178755
www.hofer-bauer.at
E. info@hofer-bauer.at

 

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