Design, Columbo, Holz, Torten und Motel – eine Kombination die auf den ersten Blick wohl eher unstimmig scheint. Ganz im Gegenteil – dabei handelt es sich um fünf besonders gut versteckte Kulturoasen in Innsbruck. Ich hatte das Vergnügen zusammen mit Charly Walter die teilweise noch recht unbekannten Kulturorte Wiltens zu erkunden. Mir war nicht bewusst, wie viele es davon tatsächlich gab.
1. Station: styleconception – creative projects and design
Ausgangspunkt und Station Eins war Charlys gelungene Architektur- und Designoase in der Mentlgasse 12b.
Als leidenschaftlicher Architekt und Designer entwickelte Charly über die Jahre die perfekte Tätigkeitsmischung aus Architektur, Design, Veranstaltungen und Präsentationen. Dazu hat sich auch der Schwerpunkt von styleconception im Bereich Interior Design und Ausstellungskonzeption verankert. Seit 2012 kann man den versteckten Schauraum für zeitgenössisches Design und Kunst jederzeit besuchen. Das ganze Jahr über finden hier Sonderausstellungen großteils österreichischer Designer im Grenzbereich zwischen Kunst und Design statt:
„An der Schnittstelle zwischen Kunst und Design zeigt styleconception im designart.showroom einzigartige Objekte und Kleinserien ausgewählter Designer und Künstler und berät individuell, wie man mit diesen wohnen kann.“ (styleconception)
Charly und Freunde haben vor guten drei Jahren den Verein zur Förderung der Alltagskultur in die Welt gerufen. Die Intention? Das allgemeine Leben, ob das im Bereich Wohnen oder Freizeit ist, mit Kultur anzureichern. Mit ausgefallenen Ausstellungen und Möbeln individuellen Charakters wollen Charly und sein Team die Leute aus ihrem Alltag entführen und ihnen andere, fremde Dinge zeigen.
Styleconception ist eine gelungene Mischung aus neuen und alten Objekten, aus Klassikern, „ein bisserl Kitsch, ein bisserl Retro – es macht einfach immer die Mischung aus, ob etwas funktioniert oder nicht!“, fügt Charly hinzu – „der persönliche Wert ist die eigentliche Qualität und das, was die Leute dann mit den Gegenständen anfangen und was diese für sie bedeuten.“
Nach einer kleinen Führung durch den Schauraum machten wir uns schließlich auf den Weg.
2. Station: columbosnext
Einen ersten kurzen Zwischenstopp legten wir in der Südbahnstraße 1b im alten Stellwerk der österreichischen Bundesbahnen bei columbosnext ein.
Hier trafen wir auf Verena Rauch, die zusammen mit Walter Prenner am Institut für experimentelle Architektur der Universität Innsbruck arbeitet.
„Ziel der Projekte von columbosnext ist die Schaffung einer Plattform, die sich mit Architektur und Gesellschaft und der Initialisierung und Inszenierung kultureller, sozialer und urbaner Aktivitäten auseinandersetzt.“ (columbosnext)
Im obersten Geschoß des Stellwerks mit 180° Panoramablick von der Nordkette über die Bahngleise bis zum Bergisel befindet sich das eigentliche Architekturbüro.
Über das Stiegenhaus, in dem verschiedenste Objekte der 24-köpfigen „Columbosbande“ zur Schau gestellt werden, erreicht man den eigentlichen Veranstaltungsraum. Hier befinden sich unter anderem auch ein Musikproberaum, ein Aufnahmestudio und eine kleine Werkstatt. Die eigentliche Intention ist das „Schaffen einer ‚Knautschzone’ zur vorgelebten Realität, innerhalb derer Gedanken und Konzepte frei zur Diskussion stehen.“ (columbosnext)
Verena erzählte uns von den verschiedensten Projekten, die bereits hinter ihnen liegen und jenen, die gerade durchgeführt werden. Beispielsweise ist der Pavillon beim Landestheater auf die Ideen von columbosnext zurückzuführen.
Unsere Tour führte uns weiter in die Feldstraße 5.
3. Station: Werkstatt Höckner
Von den architektur- und designfokussierten Kulturoasen ging es in die Produktion von wertvollen Kulturgütern – in die Werkstatt Höckner, welche hochwertige Vollholzmöbel produziert.
Gerhard Höckner gründete die Werkstatt 1996. Zur Werkstatt zählen der Maschinenraum, die eigentliche Werkstatt, ein paar Nebenräume zum Lagern und eine geräumige Ideenschmiede im Obergeschoss. Gerhards frühe und zahlreiche Erfahrungen im Umgang mit antikem Mobiliar, die Begeisterung für die Natur und sein brennender Entdeckergeist sind die Erfolgsfaktoren seiner Handwerkskunst. Zusammen mit Oscar, Sebastian und Hanna lebt er direkt am Werkstattgelände. Über dem der Werkstatt gegenüberliegenden „Veranstaltungszentrum“ befinden sich nämlich drei lieblich eingerichtete Wohnungen.
Dieser „Veranstaltungsraum“ gegenüber der Werkstatt, den Gerhard auch einfach den „Raum“ nennt, galt ursprünglich als Atelier mit angeschlossener Ausstellungsfläche. Hier befinden sich heute Hanna’s Modewerkstatt und ein großes Parkett für verschiedenste Veranstaltungen. Großteils wird der Raum auch vermietet – als Gymnastikraum oder Versammlungssaal eignet sich dieser optimal für Ausstellungen und Konzerte. Vor Kurzem fand dort regelmäßig ein Yoga-Kurs statt.
Unsere 4. Station trägt einen spannenden Namen, haben wir es hier doch auch mit einer Architektur- und Werkstattoase zu tun. Man möchte meinen wir machten einen kurzen Abstecher in eine Konditorei…
4. Station: tortenwerkstatt
8 Architekturstudenten, ein Professor und eine Torte.
Auf einer Exkursion der Universität Innsbruck nach Portugal wurde der Name für das Projekt „tortenwerkstatt“ geboren.
Einer der 8 Studenten feierte während dieser Exkursion seinen Geburtstag. Der Professor lies den jungen Mann auch hochleben, ging mit einer Torte in den Händen auf ihn zu und fragte ihn, ob er ein Freund der Torte sei, worauf er die Antwort bekam: „Ja, ich bin ein Freund der Torte“. Das war schließlich der Startschuss für das ursprüngliche Kreativkollektiv:
„Am Anfang war das Rezept, das Rezept von einer Torte mit vielen Schichten, einem guten Fundament und einzigartigen Zutaten. Die Kombination von verschiedenen Geschmacksrichtungen und die besondere Glasur verleihen der Torte einen fantastischen Beigeschmack…“ (tortenwerkstatt)
2009 gründeten sie den Verein „die Freunde der Torte“, bevor sie dann in das aktuelle Gebäude in der Neurauthgasse einzogen, woraus dann die Tortenwerkstatt wurde.
„Die tortenwerkstatt ist für uns ein Raum, wo wir unabhängig an Gruppen- oder Einzelprojekten arbeiten können. Die Hauptanliegen sind Architektur, Foto & Kunst. Ein Ort für Wissensaustausch und Platz für Kreativität.??“ (tortenwerkstatt)
Gewöhnlich fanden in den vier Wänden der tortenwerkstatt regelmäßig Veranstaltungen und Vorträge statt. Diese Veranstaltungen sind öffentlich zugänglich und eintrittsfrei. Beispielsweise die Vorträge mit Suppe (8 Mal pro Jahr)– sollen einerseits dem Wissensaustausch und der freien Kommunikation dienen und ebenso den sozialen Aspekt in den Vordergrund stellen – Suppe und Unterhaltung. Am 27.11. findet beispielsweise der Vortrag „Mitfreude – der Weg zum Isolation Camp“ von Tobias Ludescher statt.
Dazu erscheint 8 Mal pro Jahr das sogenannte „Tortenblatt“, in dem Aktuelles, Wissenswertes und Neues rund um die Themen Architektur, Foto und Kunst gesammelt und dokumentiert wird.
Zur Zeit ist es aber ruhiger, da einige der Studenten in den letzten zwei Jahren mit dem Studium fertig geworden sind und die Werkstatt mittlerweile mehr zum Büro als zum Veranstaltungsraum geworden ist.
Unsere Route führte uns schließlich in die Graßmayrstraße 23 an unsere letzte Station…
5. Station: Motel
Ein Motel ist ja bekanntlich ein Rasthaus, eine Raststätte und genau diese Grundidee haben sich Paul Klumpner und Vincenz Mell zu Herzen genommen. Nachdem die zwei Bayern für mehr als 10 Jahre zum Studieren nach Innsbruck kamen, gründeten Sie gemeinsam mit Hannes Baumann den Kulturverein Brache und machten sich auf die Suche nach leerstehenden Gebäuden und Flächen, um diese kulturell zu bespielen.
Auf den 1000m2 des ehemaligen Recyclinghofes in der Graßmayrstraße blieben sie dann hängen und tauften die neue Kulturoase im August 2014 auf den Namen „Motel“. Das zweigeschossige Gebäude und die riesige Parkfläche erinnerten die drei jungen Männer schlicht und einfach an ein klassisches amerikanisches Motel. Auf dieser riesigen Fläche entwickelte sich ein Begegnungsort für Kulturschaffende aus allen Fachgebieten, insbesondere Kunst, Architektur, Film, Performance und Musik.
„Darüberhinaus entsteht Raum für Engagement und Diskussionen mit Fokus auf Urbanismus, Stadtentwicklung und kollaborative Arbeits- und Wirtschaftsweisen.“ (Motel)
Zusätzlich hat sich am Gelände mit Krater Fajan ein Kollektiv aus Architekturstudenten eingemietet, ein Elektriker betreibt hier eine Art „Repair-Cafe“ und die Kooperation zum Fruchtgenuss hat ebenso hier ihr Lager.
Diesen Sommer konnten sich die 3 Kulturschaffenden über zahlreiche Besucher beim „Grand Motel Festival“ freuen. Am 27. Juni kamen verschiedenste Acts aus Deutschland und Österreich. Auch jetzt im Herbst ist noch einiges geplant.
Der große Haken an der Geschichte – die Graßmayrstraße 23 ist nur eine vorübergehende Niederlassung für den Verein Brache, da das Grundstück der Stadt gehört. Die Stadtpotenziale, eine Förderschiene der Stadt Innsbruck, fördert dieses Kleinprojekt bzw. bespielt es bis etwas aus dem Grundstück gemacht wird. Bis zum Bau der Abfahrt im Rahmen der neuen Graßmayrkreuzung bleibt uns das Motel also noch erhalten.
Unglaublich, was sich alleine im Innsbrucker Stadtviertel Wilten so alles versteckt! Danke an dieser Stelle, lieber Charly, für deine Zeit und die spannenden Geschichten und Orte die du mir erzählt und gezeigt hast. Vielleicht geht unsere Hidden Places-Tour ja im nächsten Stadtviertel weiter? Ich würde mich freuen!
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Sabrina ist (Synchron-)Sprecherin, Moderatorin und Darstellerin und die Stimme und das Gesicht des Innsbruck Podcasts. Sie ist für uns in der Region Innsbruck unterwegs, um euch die spannendsten Geschichten der Region zu erzählen.
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