Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit werden einige Gassen der Innsbrucker Altstadt von lebensgroßen Märchen-, Riesen- und Sagenfiguren bewohnt. Bis jetzt bin ich immer etwas achtlos daran vorbeigelaufen. Seit ich aber versuche die Welt mehr durch die Augen meines Sohnes zu sehen, bin ich viel offener für solche Dinge . Es ist zwar nicht mein erster Advent als Mama, aber der erste, in dem mein Sohn seine Umgebung bewusster wahrnimmt und Interesse zeigt. Zum ersten Mal schenke auch ich all den Märchenfiguren, die mir von den Häusern der Seiler- und Kiebachgasse entgegen lachen, richtig Beachtung. Und siehe da, es lohnt sich.
Das Märchen von der Gänsemagd. Foto Elisabeth Siegl
Die Märchengasse gibt es schon seit 1998, damals wurde sie von Frau Margit Holzmann ins Leben gerufen. Die 28 liebevoll gestalteten Figuren begeistert seither Jung und Alt. Jedes Märchen hat einen Altstadt-Betrieb als Paten, so tragen auch diese zur zauberhaften Stimmung bei.
Rotkäppchen und der böse Wolf. Foto: Elisabeth Siegl
Volles Programm am Theaterwagen
Seit 2009 gehören die vom Westbahntheater täglich live gespielten Märchen zu den absoluten Highlights der Märchengasse. Vom 15. November bis zum 23. Dezember werden insgesamt sieben verschiedene Stücke aufgeführt, jeden Tag zwei, einmal um 16:30 Uhr und einmal um 17:30 Uhr. (Den Spielplan findest du hier)
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mir nie wirklich die Zeit genommen habe eines anzusehen. Aber wie gesagt, dieses Jahr ist alles anders. Bevor ich mir allerdings eine Aufführung zu Gemüte führe, treffe ich mich mit Susanne Mair. Sie gehört zum Ensemble des Westbahntheaters und spielt von Anfang an in der Märchengasse. Ich bin mir sicher, dass sie mir einige nützliche Hintergrundinformationen geben und mich ein bisschen in die Welt des Theaters einführen kann.
Einführung in die Welt des Theaters
Voll Vorfreude treffe ich mich mit Susanne am ersten Adventsamstag im Café Katzung und sofort habe ich das Gefühl, sie schon ewig zu kennen. Die Atmosphäre ist so entspannt und bei jedem Wort kann ich spüren, mit welcher Leidenschaft sie Theater spielt – ganz besonders für die Kinder. Am wichtigsten ist ihr, dass die Kleinen mit eingebunden werden. Mitmachen ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Manchmal ist das für die Schauspieler natürlich eine ganz schöne Herausforderung. Susanne erzählt mir, dass die Kinder mit ihren Märchenhelden richtig mitfiebern und sie beschützen wollen. So wurde Hänsel zum Beispiel lautstark vor der bösen Hexe gewarnt – er möge doch auf keinen Fall zum Lebkuchenhaus gehen – natürlich muss diese Warnung ignoriert werden, da das Märchen sonst ziemlich schnell zu Ende wäre… Aber das Schöne an Märchen ist ja, dass das Gute immer über das Böse siegt und so sind die kleinen Zuschauer letztendlich zufrieden.
11 Schauspieler des Westbahntheaters bestreiten insgesamt 78 Aufführung. Pro Stück verkörpern jedoch immer nur drei Darsteller alle Rollen. Es muss irrsinnig schwer sein, innerhalb weniger Sekunden von einer Rolle in die Nächste zu schlüpfen und so ganz kann ich mir das auch noch nicht vorstellen. Besonders den Kostümwechsel stelle ich mir stressig vor. Ich bin gespannt und neugierig auf die Umsetzung.
Überhaupt macht mir Susanne so richtig Lust aufs Theater und scheinbar nicht nur mir. Sie berichtet von ihrem Stammpublikum – Kinder, die so gut wie keine Aufführung verpassen und teilweise den Text schon mitsprechen können. Wenn das keine Bestätigung ist, dann weiß ich auch nicht. Ganz süß finde ich die Geschichte von einem kleinen Jungen, der sich bei den Darstellern mit Schokolade für die tollen Aufführungen bedankt.
Ich bin also gespannt wie ein Bogen und voller Erwartungen.
Die Schneekönigin
Warm eingepackt warten mein Sohn und ich um 17:15 Uhr vorm Theaterwagen. Wer gedacht hat, wir wären die ersten, der täuscht sich. Auf den mit Decken und Pölstern ausgestatteten Bänken haben es sich schon einige Kinder gemütlich gemacht.
Die Kinder warten gespannt auf die Schneekönigin. Foto: Elisabeth Siegl
Pünktlich um 17:30 Uhr betreten der Rabe „Rolf Rüdiger Pechrabenschwarz“ und der Gockel „Jockel Goldschwanz“ die Bühne. Die beiden sind die Erzähler und führen durch jedes Märchen. Heute Abend wird die Eiskönigin gespielt. Meine ohnehin schon hohen Erwartungen werden übertroffen. Es ist unglaublich, wie nur drei Schauspieler acht verschieden Rollen spielen. Kostüme und Requisiten sind zwar einfach, aber das tut dem ganzen keinen Abbruch. Die Kinder sind total begeistert, allen voran mein Sohn. Auch wenn er noch nicht viel versteht, ist er von der süßen Gerda, ihrem kleinen Freund Kai, der bösen Eiskönigin und den drolligen Räubern wie gefesselt.
Ich kann nur jedem empfehlen mit offenen Augen durch die Märchengasse zu schlendern, sich all die liebevoll gestalteten Figuren anzusehen, die dazugehörigen Märchen zu lesen und sich selbstverständlich eine der wunderbaren Inszenierungen des Westbahntheaters anzusehen. Ganz nebenbei sei noch erwähnt, dass die Aufführungen vollkommen kostenlos und für jedermann ein Erlebnis sind.
Interessante Hintergrundinformationen zur Märchengasse gibt es hier und wer noch mehr über die Christkindlmärkte in Innsbruck erfahren möchte, ist auf dieser Seite genau richtig. Übrigens empfehle ich allen Theaterinteressierten den Artikel über Innsbrucks Theaterbühnen und die dazugehörige Fortsetzung von Verena Abenthung.