Ein Spaziergang in Zeiten von Corona mit historischen Bezügen? Bitte schön, bitte sehr! Ausgangspunkt ist Inzing. Die Rundtour führt über teils uralte Wege nach Hof und Toblaten und wieder zurück nach Inzing. Wir lernen das Tränenwunderhaus kennen, passieren das Geburtshaus von Jörg Kölderer und auch das Wohnhaus von Blasius Hueber. Wer die Herren sind? Das erkläre ich weiter unten.

Spazieren bedeutet für mich, sich mit größter Neugier in einer Landschaft zu bewegen. Egal wo. Ich meine keineswegs jene Neugier, die den Mitmenschen permanent auf die Finger schaut. Im Frühling und Frühsommer bin ich neugierig darauf, welche Blümlein sprießen und welch’ Kräutlein wachsen. Genauso interessant sind für mich aber historische Bezüge. Zum Beispiel, wer einst hier gelebt und gewirkt hatte.

Bauernhaus Inzing

Ein wuchtiges Bauernhaus in Inzing belegt die frühe Kaufkraft im Ort.

Der historische Spaziergang beginnt an der Salzstraße in Inzing

Viele kennen den Ausdruck ‚Salzstraße‘, die einst von Hall ausgehend in alle Himmelsrichtungen wegführte. Und das ist einer der Ausgangspunkte des historischen Spazierganges, nämlich die Salzstraße, die auch durch Inzing führte. Im Dorfzentrum sind, trotz der Spitzhacke, die in vielen Tiroler Dörfern jahrzehntelang unbarmherzig geschwungen wurde, doch noch einige ältere Häuser erhalten. Wie das ‚Haus des Tränenwunders‘, das einst zehntausende Wallfahrer angezogen hatte. Ich beschreibe das auf meinem Blog zum Tiroler Jakobsweg. Denn das ‚Wunder‘ sorgte bereits im ersten Jahr der Wallfahrt 1688 für einen Ertrag von 700 Gulden. Weniger verwunderlich ist es, dass der Tiroler Jakobsweg – man möchte sagen natürlich – am Haus vorbeiführt.

Haus des Wunders in Inzing

Das Haus des Tränenwunders in Inzing.

Der Inzinger Turm

Ein anderes interessantes historisches Gebäude ist der sogenannte ‚Turm‘, ein ehemaliges Schlösschen oberhalb der Pfarrkirche. Hier dürften die Ritter von Eben darauf gewartet haben, Zoll oder Maut von jenen zu kassieren, die Salz durch den Ort kutschierten.

Pfarrkirche und Turm in Inzing

Pfarrkirche und Turm in Inzing

Turm Inzing

Der wuchtige ‚Turm‘ in Inzing ist der Rest eines adeligen Ansitzes.

 

Von diesem Turm beginnend geht dann der Weg in die Berge, konkret nach Hof. Wir folgen ab sofort dem „Themenweg Inzing“. Zudem gibt es mehrere Möglichkeiten, den etwa 850 Meter hoch gelegenen Weiler Hof spazierend zu erreichen. Ich empfehle allen, sich der App PhoneMaps (https://phonemaps.de/) zu bedienen, die die genauesten kartografischen Details und mithin alle potentiellen Spazierwege offenbart.

Alter Weg von Inzing nach Hof

Der alte Weg von Inzing nach Hof

In Hof steht heute noch das Geburtshaus von Maximilians Hofmaler

Hof besticht durch mehrere Eigenschaften. Einerseits steht hier das Geburtshaus von Jörg Kölderer gleich am Beginn des Weilers. Es ist heute der Erbhof Wanner. Andererseits ist hier ein exotischer Baum zu bewundern: der Schneeglöckchenbaum, der ein Wegkreuz an der Straße umrankt. Zudem gibt es noch einige uralte Bauernhäuser zu bewundern, wie man sie in Tirol nur noch selten sehen kann. Und drittens nehme ich an, dass der Weg zwischen Hof und Pollingerberg auf der Trasse des uralten keltischen Verbindungsweges verläuft.

Kölderer Geburtshaus Inzing Hof

Das Geburtshaus Jörg Kölderers in Hof

 

Jörg Kölderer entstammte also einer einfachen Familie und wurde zu einem der Vertrauten Kaiser Maximilians. Seine Fresken am Goldenen Dachl in Innsbruck sind quasi ‚für die Ewigkeit‘ gemalt. Er war auch für die Ausgestaltung des einstigen Wappenturmes verantwortlich und illustrierte mit größter Sorgfalt die Jagd- und Fischereibücher des Kaisers. Ein weiteres Werk ist im Chor der Pfarrkirche von Seefeld zu bewundern. Es ist das Bild des ‚Hostienwunders‘ des Ritters Oswald von Milser. Noch ein Wunder: Die Pfarrkirche Seefeld wurde ob dieses mittelalterlichen Marketing-Schmähs zu einer der beliebtesten Wallfahrtskirchen Tirols. Und das Geld klimperte im Kasten, dass es nur so rauschte…

Fresko Goldenes Dachl Jörg Köldeerer

Eines der Außenfresken Jörg Kölderers am Goldenen Dachl zu Innsbruck

Weshalb ich annehme, dass der uralte Weg hier durch Hof geführt hatte? Vor einigen Jahren wurde auf der sogenannten ‚Burcht‘ – ganz in der Nähe des Weilers – eine befestigte Anlage aus der Eisenzeit ausgegraben. Was wiederum darauf schließen lässt, dass es Räter waren, die hier bereits in Vorgeschichte siedelten. Wo aber war die Straßenverbindung genaü

Die prähistorischen Wege durch das Oberland verliefen in der Höhe

Meine Theorie: Ab Silz führte ein uralter Verbindungsweg auf der südlich des Inns gelegenen Geländestufe und umging damit Murenkegel, Innüberschwemmungen und all die Probleme, die Wildflüsse so mit sich bringen. Die alte Verbindung reichte also in rund 800 Metern Seehöhe ganz sicher bis Kematen, um dort wiederum auf eine Geländestufe aufzusteigen die dann über Afling nach Völs führt. Man war ruck-zuck im heutigen Innsbruck. Erst im späteren Mittelalter wurde meines Erachtens der Karrenweg im Tal ausgebaut, musste jedoch immer mit größtem Aufwand gewartet werden. Aber die Profite aus dem Salzgeschäft machten es rentabel, größere Straßen für größere Fuhrwerke zu bauen. Denn Muren, Abrutschungen in den Inn, der hier der Verbindung ganz nahe gekommen war erforderten immer wieder massive Instandhaltungsarbeiten. Die wie gesagt aus den Salz-Profiten locker zu finanzieren waren. Aber bleiben wir in Hof.

Hohe Munde

Der Blick zur Hohen Munde

 

Von Hof aus führt der Spazierweg dann in Richtung Hattingerberg und folgt hier dem Peter-Anich-Rundwanderweg. Nach etwa 700 Metern zweigt man dann scharf nach rechts ab und folgt dem Themenweg der in ein schmales Tal eintaucht das hinunter nach Toblaten führt. Und dort wartet das nächste historische Gebäude auf neugierige und geschichtlich versierte Menschen.

Weg nach Toblaten

Der Weg nach Toblaten

Drei ‚Bauerngeografen‘ machten sich unsterblich

Dieser „Atlas Tyrolensis“ der Bauerngeografen wurde 1774 im Maßstab 1:540.000 als Kupferstich publiziert. Bild: wikipedia

Blasius Hueber, einer der drei berühmten Tiroler ‚Bauernkartografen‘ verbrachte seine letzten Lebensjahre im ‚Adelshof‘ zu Toblaten bevor er 1814 hier verstarb. Hueber war ein Mitarbeiter von Peter Anich. Sein Neffe Anton Kichebner ist der Dritte im Bunde. Die Leistung dieser drei ‚Laien‘, wenn man so sagen kann: Sie erarbeiteten als Landvermesser ein beispielgebendes Kartenwerk von Tirol. Der ‚Atlas Tyrolensis‘ wurde 1774 als Kupferstich publiziert. Ihm folgte eine Karte von Vorarlberg, die 1783 publiziert wurde.

14 Jahre Vermessungen für die Tirol-Karte

Welch herkulanische Arbeit diese Bauern-Gelehrten erledigten ist mit normalen Maßstäben nicht zu ermessen. Man muss sich vorstellen, dass Anich und Hueber zuerst das Land vermessen mussten – es waren insgesamt 14 Jahre – um die Daten dann in ‚die genaueste Karte von Tirol‘ zu übertragen, die damals veröffentlicht worden war. Die drei ernteten mit ihrer Arbeit europaweite Aufmerksamkeit.

Blasius Hueber erlernte von Anich auch dessen Kenntnisse in der Konstruktion von Sonnenuhren. Insgesamt zehn solcher Uhren in der Umgebung von Innsbruck stammen von Peter Anich. Teilweise zeigen sie neben der Uhrzeit auch noch den Monat oder das Tierkreiszeichen der Sonne an.

Im Adelshof übernachteten gekrönte Häupter und Jakobspilger

Der Adelshof ist noch immer ein sorgsam von der Familie gepflegtes Juwel. Hier übernachtete so manch adeliges und sogar gekröntes Haupt, wie etwa Herzog Friedrich IV. (jener mit der leeren Tasche) von Tirol, der sich 1416 bei seiner Flucht aus Konstanz hier ausgeruht haben soll. Heutzutage kommen Pilgersleute, die auf dem Weg nach Santiago hier durchkommen, in den Genuss der Pilgerherberge im Adelshof.

sonnenuhr im schatten

Diese Sonnenuhr hat noch nie die Sonne gesehen und ist eine Hommage an Blasius Hueber.

An den einstigen Besitzer, den berühmten Blasius Hueber, erinnert noch immer eine ‚Sonnenuhr’ an der Nordseite. Der Text :

„Wenn die Welt verkehrt wird sein
wird auch an dieser Stell
die Sonne schein’“

Der Weg führt dann zurück auf der Trasse des Tiroler Jakobsweges durch die Wiesen, Äcker und Felder von Toblaten. Entspannend und stets mit einer fantastischen Aussicht auf die Berge der Nordkette.

Hilfreiche Tipps:

  • Reise doch per Bahn oder Bus des VVT an. Gegebenenfalls kannst du deine Wanderung ausweiten und dann wieder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückfahren.
  • Informationen zum Peter-Anich-Rundwanderweg gibt es HIER

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