Felsräumer sehen Kirchtürme täglich von oben. Ihre Arbeit dient der größtmöglichen Sicherheit für Erholungssuchende und Sportler. Wir haben Klaus und seine Freunde bei ihrem Einsatz in der Ehnbachklamm bei Zirl begleitet.

Frühmorgens auf einem kleinen Parkplatz hoch oben im Wald bei Zirl: „Bitte Gurte und Helme anziehen”, weist Klaus Jöchler uns an. Gleich werden wir ihm und seinem Team beim Felsräumen über die Schulter schauen.

TÄGLICHE ROUTINE

Der Rest der Truppe ist schon gerüstet. Für Andi, Kalmi, Felix und Marc beginnt ein normaler Arbeitstag. Wir hingegen – heute sind das meine Bloggerkollegen Fiona Park und Ashley Wiggins und ich – haben Respekt. Wir wissen, dass es steil zur Sache geht.

Die Felswände und -rippen der Ehnbachklamm sind nahezu senkrecht. Sie müssen regelmäßig von Gestein befreit werden, das durch verschiedene Verwitterungsprozesse lose geworden ist. Der Grund ist klar: „Würden Felsbrocken in die Schlucht hinunterstürzen, wären Besucher des beliebten Naherholungsgebiets in Gefahr”, erklärt Klaus.

IM DIENST DER SICHERHEIT

Die Männer versuchen im Auftrag des Tourismusverbandes Innsbruck, genau das zu verhindern. Dafür hängen sie tage-, ja wochenlang hunderte Meter über dem Boden. Sie prüfen, hebeln aus und setzen dafür gegebenenfalls auch technische Hilfsmittel ein.

Vorsichtig balancieren wir auf einem schmalen Grat zum Ort des Geschehens. Obwohl bestens gesichert, schleicht sich ein etwas mulmiges Gefühl ein. Ganz, ganz weit unten lässt sich eine Holzbrücke erspähen. Sie hat aus unserer Perspektive etwa die Größe eines Zahnstochers!

LUFTIGER AUSFLUG

Vor uns sind durch den herumziehenden Nebel immer wieder die Häuser von Zirl zu sehen. Irgendwie macht der Nebel den Anmarsch aber auch ein bisschen flauschiger. „Die Hauptproblematik des Felsräumens liegt meist in der schweren Zugänglichkeit“, bestätigt Klaus, dass sogar die Profis diesbezüglich oft vor Herausforderungen stehen.

SELBSTAUSLÖSUNGEN VERMEIDEN

Am Abseilpunkt spielen sie ihre Routine später voll aus. In Zweierteams – einer sichert, einer sichtet – arbeiten sie sich abschnittsweise von oben nach unten. Wenn nötig wird mit dem Abräumeisen, oder auf gut tirolerisch dem „Goaßfiaßl“ (die Form ähnelt dem Fuß einer Ziege), der Fels an Spalten ausgebrochen.

Mal wird mehr, mal weniger Material in Bewegung versetzt. Laut rumpelt es ins Tal hinab. Gut, dass auf den dortigen Wanderwegen niemand unterwegs ist. Eigens abgestellte Kräfte überwachen das. „Das war knapp, aber die Brücke ist heil geblieben“, tönt es zudem von Zeit zu Zeit aus Klaus’ Funkgerät. Die Männer sind ständig in Kontakt.

Klaus ist ausgebildeter Geologe und liebt seinen Job: „Ich mag es, in der freien Natur zu sein. Und ich mag es, gefordert zu sein. Als Felsräumer muss man immer den Kopf eingeschalten lassen.“

VORAUSSETZUNGEN

Die Kunst seines Berufs besteht grundsätzlich aus drei wesentlichen Faktoren, fasst er weiters zusammen: die Seiltechniken beherrschen, einen Rettungsplan parat haben sowie die Situation vor Ort richtig einzuschätzen und dementsprechend darauf zu reagieren.

Von Schwindelfreiheit als ebenfalls unbedingte Voraussetzung erwähnt der 38-Jährige nichts. Das rührt wohl daher, dass Felsräumer fast ausschließlich in großen Höhen arbeiten. Der eine ist zusätzlich Bergführer, der andere Industriekletterer. Für alle ist es selbstverständlich, dass sie Kirchtürme täglich von oben sehen. Wenn nicht vom Berg aus, dann eben von Gebäudefassaden, wo sie Reinigungs- und Wartungsarbeiten vornehmen oder Absturzsicherungen einrichten.

Als Felsräumer werden sie jedenfalls überall dorthin gerufen, wo viel Frequenz herrscht, erklärt Klaus: „Es ist ein Unterschied, ob zum Beispiel ein hochalpiner Steig zehnmal im Jahr besucht wird, ober ob es sich wie in diesem Fall um einen viel begangenen Wanderweg handelt. Die Ehnbachklamm ist ja auch für Kinder geeignet und wartet außerdem mit einem tollen Klettergebiet auf.“

Auch wir klettern langsam wieder retour und werfen während der Talfahrt noch einen Blick auf den nahen Wanderweg zur berühmten Martinswand. „Da werden wir bald einen ganz großen Fels entfernen. Dazu nutzen wir ein Hebekissen, das mit Luftdruck betrieben wird. Es hat 40 Tonnen Druckkraft“, ist Klaus ein wenig Aufregung anzumerken.

DER GROSSE KNALL

Spektakulär war’s allemal – Ashley hat das und alles andere in seinem Video festgehalten. Fiona hat zudem einen Beitrag in Englisch verfasst. Diesen Artikel und noch viel mehr Interessantes aus Innsbruck und Umgebung findest Du unter anderem im Blog der Region Innsbruck.

Am Ende ist und bleibt es aber nur die Sicherheit der Besucher, die zählt. Eine hundertprozentige Garantie dafür kann es nicht geben. Ein Steinschlagereignis kann einfach nicht ausgeschlossen werden. Aber Klaus und seine Freunde tun wirklich alles, um das Gefahrenpotenzial deutlich zu senken.

Fotos: Ashley Wiggins, Tamara Kainz

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