Innsbruck überrascht mich immer wieder. Oder habt ihr gewusst, dass die „Hauptstadt der Alpen“ im 15. Jahrhundert eine Bergwerksstadt gewesen ist? Ich wusste es jedenfalls nicht. Für mich Grund genug nach den letzten sichtbaren Zeichen zu suchen, den „Knappenlöchern“. Zudem habe ich eine rätselhafte Säule entdeckt, deren Sinnhaftigkeit sich mir verschließt. Aber vielleicht können die Leser des Blogs weiterhelfen.

Aber wo sollte ich beginnen? Unterlagen zur mittelalterlichen Bergbautätigkeit in Innsbruck sind genauso rar wie Karten von den sogenannten „Knappenlöchern“. Wann hatte der Bergwerksboom in Innsbruck überhaupt begonnen? Wie lange hatte er gedauert? Mein erster Weg führte mich also ins Innsbrucker Stadtarchiv.

Die vermutlich älteste datierte Erwähnung einer Erzgewinnung im Höttinger Bach stammt aus 1479. Georg Mutschlechner zitiert sie in seiner interessanten Abhandlung über den „Bergbau an der Innsbrucker Nordkette zwischen Kranebitten und Mühlau“ (Veröffentlichung des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge, Band 5, S 67 ff). Demnach überließ Herzog Sigmund einem Peter Jenner zwei Kübel Erz und erlaubte ihm, „das Silber, so er daraus machen würde, nach seinem Gefallen zu verkaufen“. Das war offenbar so was ähnliches wie ein Startschuss. Und überhaupt: in Tirol grassierte damals das Silberfieber. Vor allem in Schwaz wurde der ‚Silberberg‘ regelrecht ausgehöhlt, Menschen sonder Zahl strebten nach schnellem Reichtum und schufteten sich in den stickigen Knappenlöchern nicht selten zu Tode.

So hat Innsbruck um 1500 ausgesehen. Im Bild die - damals noch - gotische Pfarrkirche.

So hat Innsbruck um 1500 ausgesehen. Im Bild die – damals noch – gotische Pfarrkirche.

Ein weiteres Indiz tauchte auf. Bereits 1467 wurde eine Schmelzhütte „enthalb der Sill“ im heutigen Stadtteil Dreiheiligen urkundlich erwähnt. Und wo ein Rauch ist, ist bekanntlich immer auch ein Feuer. Das „Feuer“ waren die Knappenlöcher an der Nordkette und das darin bisweilen gefundene Silbererz. Soweit rekonstruierbar, wurden in Hötting noch Galmei, Blei, Vitriol und Schwefel abgebaut und verhüttet, wie man aus den noch vorhandenen Bergwerksbüchern entnehmen kann.

Das Gebiet um das hetige "Höttinger Bild" war im Mittelalter ein regelrechtes Bergwerkszentrujm

Das Gebiet um das heutige „Höttinger Bild“ war im Mittelalter ein regelrechtes Bergwerkszentrum

Aber wo sich die sogenannten Knappenlöcher genau befunden hatten ist 500 Jahre später meist nur noch zu erahnen. Einzig Georg Mutschlechner gibt einige Hinweise. Demnach waren der sogenannte „Höttinger Graben“ und das Höttinger Bild quasi im Zentrum der Erzsuche. Nur wenige wissen heute noch, scheibt Mutschlechner, „dass zwischen der Kranebitter Klamm und Mühlau, vom Ufer des Inn beim Guggenühel bis hinauf zur Bodensteinalm neben der Trasse der Hafelekarbahn und bis zum Achselkopf hinüber nach Erz geschürft wurde.“ Was blieb mir also anderes übrig, als meine Bergschuhe zu schnüren und mich auf eine Reise in Innsbrucks Vergangenheit zu machen. Auf der Suche nach jenen Stollen, die damals von Erzsuchern händisch mit Schlägel und Eisen in die Felsen getrieben worden waren. Damals, als Innsbruck noch als Bergwerksstadt gegolten hatte.

Ich teilte meine Erkundungen in zwei Touren: Tour Nr. 1 startete beim Höttinger Bild und führte über den linken Höttinger Graben zur Höttinger Alm. Eine richtige Bergtour und – ich geb’s zu – eine schweißtreibende Angelegenheit. Die zweite Tour bestand dann aber aus einer sehr gepflegten Rundwanderung von der Hungerburg zuerst in Richtung Höttinger Bild. Im Höttinger Graben bin ich abgebogen und zuerst  nach Gramart und dann weiter auf die Hungerburg zurück gewandert.

Die Suche nach den Knappenlöchern ist verbunden mit ganz wundervollen Spaziergängen und einer mittleren Bergtour.

Die Suche nach den Knappenlöchern ist verbunden mit ganz wundervollen Spaziergängen und einer mittleren Bergtour.

Tour 1: Höttinger Bild – Höttinger Graben – Höttinger Alm

Zuerst spazierte ich zum ,‘Höttinger Bild‘, einer bekannten Wallfahrtskapelle oberhalb des Planötzenhofes. Denn in unmittelbarer Nähe der Kapelle befindet sich ein erster, unauffälliger und gerade noch sichtbarer Beweis für den einstigen Bergbau an dieser Stelle: Die ebene Fläche südlich der Kapelle ist nämlich die Abraumhalde des Knappenlochs, das einst einige Meter westlich der Kapelle in den Berg getrieben worden war. Heute ist nur noch das verfallene Mundloch des Minibergwerks sichtbar.

Man glaubt es kaum: die ebene Fläche vor der Wallfahrtskapelle ist Teil einer großen Abraumhalde des nahegelegenen Knappenlochs, dessen Spuren...

Man glaubt es kaum: die ebene Fläche vor der Wallfahrtskapelle ist Teil einer großen Abraumhalde des nahegelegenen Knappenlochs, dessen Spuren…

...heute noch zu sehen sind. Das sogenannte Mundloch dieses Stollens ist noch als Vertiefung im herbstlichen Waldboden zu erahnen.

…heute noch zu sehen sind. Das sogenannte Mundloch dieses Stollens ist verschüttet und nur noch als Vertiefung im herbstlichen Waldboden zu erahnen.

Bei genauem Hinschauen  findet man heute noch ungewöhnliche Steine im Höttinger Graben

Bei genauem Hinschauen findet man heute noch ungewöhnliche Steine im Höttinger Graben

Vom Höttinger Bild aus ging dann meine Spurensuche weiter in Richtung ,Höttinger Graben‘, dem Bett des Höttinger Baches der an der Frau Hitt entspringt und in Mariahilf in den Inn mündet. Das wilde Bett des Höttinger Baches war im Mittelalter sozusagen das Epizentrum der Erzsuche. Schon mit freiem Auge sieht man eigenartige Löcher in den Felsen, die sich bei näherem Hinsehen zumindest teilweise als Knappenlöcher herausstellen. Sie liegen großteils am Weg zur Höttinger Alm. Die bunten Flecken an den Felsen entpuppen sich als Kletterer, denn ausgerechnet diese Felsen sind heute ein Kletter-Eldorado der absoluten Sonderklasse namens Dryland. Und was die Trockenheit und Hitze hier auf rund 1.300 m Seehöhe anlangt kann ich der englischen Bezeichnung für diese Felsgruppe nur zustimmen.

Der Ausgangspunkt einer schweißtreibenden Wanderung zu den Knappenlöchern beginnt im Höttinger Graben und endet auf der Höttinger Alm.

Der Ausgangspunkt einer schweißtreibenden Wanderung zu den Knappenlöchern beginnt im Höttinger Graben und endet auf der Höttinger Alm. Ein Felsen, der mit Höhlen ähnlich perforiert ist wie ein Schweizer Emmentaler mit Löchern, ist bereits von weitem sichtbar.

Die Reste der einstigen Bergbautätigkeit sind Dokumente der ungeheuren Anstrengungen von Bergknappen in der Hoffnung auf den schnellen Reichtum.

Die Reste der einstigen Bergbautätigkeit sind Dokumente der ungeheuren Anstrengungen von Bergknappen in der Hoffnung auf den schnellen Reichtum.

Die Free-Climber bezwingen just jene Felsen, in denen Knappen des Mittelalers wertvolle Metalle vermuteten.

Die Free-Climber bezwingen just jene Felsen, in denen Knappen des Mittelalers wertvolle Metalle vermuteten.

Stefano, der Kletterer aus Ritten in Südtirol bezwingt gerade die überhängenden Felsen.

Stefano, der Kletterer aus Ritten in Südtirol bezwingt gerade die überhängenden Felsen.

Tour 2: Hungerburg – Höttinger Graben – Gramart – Hungerburg

Wer hingegen im Höttinger Graben in Richtung Gramart absteigt, kommt zuerst an einem Brunnen vorbei. Jenem Brunnen, der angeblich die Wasserversorgung der Bergknappen im Höttinger Graben einst sicher gestellt hat. Dieser Wanderweg nach Gramart gehört meines Erachtens zu den schönsten Wanderwegen in Innsbruck.

Dieser Brunnen unterhalb des Forstweges im Höttinger Graben soll schon den Wasserbedarf der Bergknappen gestillt haben.
Dieser Brunnen unterhalb des Forstweges im Höttinger Graben soll schon den Wasserbedarf der Bergknappen gestillt haben.

Für mich hat es sich gelohnt, die Umgebung des Wanderweges genauer unter die Lupe genommen zu haben. Denn ich entdeckte eine gemauerte Säule, die mitten im Wald – unterhalb des Spazierweges – steht. Sie ist sorgsam gemauert, weist jedoch keinerlei Hinweise auf, weshalb sie mittem im Wald steht. Weshalb steht sie ausgerechnet einige Meter unterhalb des Weges? Was sollte sie? Vielleicht gibt‘s Leser, die darüber Bescheid wissen. Es würde mich jedenfalls interessieren. Und wer etwas weiß, den bitte ich, einen kurzen Kommentar im Anschluss an diesen Blogbeitrag zu platzieren. Danke.

Ich entdeckte auf dem Weg vom Höttiger Graben nach Gramart diese mysteriöse, gemauerte Säule. Was mag sie bedeuten?

Ich entdeckte auf dem Weg vom Höttiger Graben nach Gramart diese mysteriöse, gemauerte Säule. Was mag sie bedeuten? Wer weiß Näheres über sie?

Wenn ich auch keine eindeutigen Hinweise auf die Bergwerkstätigkeit zwischen dem Höttinger Graben und Gramart gefunden habe: dieser Rundwanderweg ist wunderschön, ich möchte sogar sagen einmalig. Vor allem im Herbst, wenn die Blätter den Waldboden mit einer duftenden, braunen Decke überziehen.

Über das Ende des Bergwerks-Booms im Mittelalter ist eigentlich wenig bekannt. Fest steht, dass Gold, Silber, Kupfer und andere Metalle aus den amerikanischen Kolonien die Metallpreise ruinierten. Zudem dürfte die Ergiebigkeit der Bergwerke in der Nordkette alles andere als groß gewesen sein. Aber es gab noch bis ins 19. Jahrhundert Versuche, Metalle zu finden. Einer dieser Schürfer glaubte sogar daran, in der Gegend des Höttinger Bildes Gold zu finden. Was nicht der Fall war. Vielleicht hat er zu sehr einem uralten Spruch vertraut, der im Verleihbuch des Haller Bergrichters niedergeschrieben wurde: „Gott gibt, Gott nimbt, Wer waiss, wembs Glikch kömbt.“

Es ist halt nicht gekommen, das Glück.

Die wunderschöne Kapelle in Gramart vor dem grandiosen Hintergrund der Nordkette belohnte mich für die Suche nach der erzhaltigen Vergangenheit Innsbrucks.

Die wunderschöne Kapelle in Gramart vor dem grandiosen Hintergrund der Nordkette belohnte mich für die Suche nach der erzhaltigen Vergangenheit Innsbrucks.

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