Ihr Leben liest sich wie ein Krimi: Die gebürtige Innsbruckerin Diana Budisavljević rettete im Zweiten Weltkrieg tausende Kinder vor dem sicheren Tod. Ein biografischer Roman erzählt über ihre Heldentaten im Stillen. Der Titel: “Dianas Liste” – in Anlehnung an Steven Spielbergs oscarprämiertes Werk “Schindlers Liste”. Wer von der Dame ebenso fasziniert ist wie ich und auf ihren Spuren wandeln möchte: Budisavljevićs Grab liegt auf dem Friedhof des Innsbrucker Stadtteils Wilten. Eine Gedenktafel ihr zu Ehren ziert das “Obexer-Haus” in der Maria-Theresien-Straße. 2021 jährte sich ihr Geburtstag zum 130. Mal. Das nehme ich gerne zum Anlass um über das bewegte Leben von Diana Budisavljević zu erzählen.

EIN MÄDCHEN AUS INNSBRUCK

Diana Budisavljević wurde in Innsbruck als Diana Obexer geboren. Im Jahr 1891 kam sie als Tochter des Kaufmanns Max Obexer in der Tiroler Landeshauptstadt zur Welt. Ihr Geburtshaus befindet sich in der Maria-Theresien-Straße. Sie war eine Aktivistin und Humanistin die während des zweiten Weltkriegs tausenden serbischen Kindern das Leben gerettet hat.

Viele werden sich fragen, wer ist diese Frau? Tatsächlich ist Diana unter Tirolern und Innsbruckern praktisch nicht bekannt. Umso mehr freut es mich einen Blog über sie zu verfassen, damit diese, praktisch vergessene Heldin, in Erinnerung bleibt.

DER LIEBE WEGEN NACH KROATIEN

Diana Obexer arbeitete als Krankenschwester im Innsbrucker Stadtspital. Hier lernte sie den aus Kroatien stammenden Serben Julije Budisavljević kennen, der hier sein Facharztstudium absolvierte. 1917 heirateten die katholische Diana und der serbisch-orthodoxe Julije und zogen kurze Zeit später nach Zagreb.

DAS USTAŠA-REGIME 1941-1945

Nach dem Einmarsch von Deutschen Truppen in Jugoslawien wurde das unabhängige Kroatien ausgerufen. Ein faschistischer Vasallenstaat Hitler-Deutschlands unter der Führung von Ante Pavelić, dem Führer der Ustaša-Bewegung. Dieser kehrte aus dem Exil nach Zagreb zurück und erklärte sich zum neuen Staatschef. Fortan waren auch die Rassengesetze des Dritten Reiches in Kroatien gültig und das Ustaša-Regime begann mit der Verfolgung von Juden, Serben, Roma und Kroatischen Regimegegnern. Während Hitler ein judenfreies Deutschland wollte, war für Pavelic ein serbenfreies Kroatien von Bedeutung. Zu dieser Zeit lebten ungefähr zwei Millionen Menschen Serbischer Abstammung in Kroatien. Mit Hilfe der sogenannten Drittel-Lösung sollten ein Drittel der Serben von der Serbischen Orthodoxie zum Katholizismus konvertieren. Für ein weiteres Drittel war die Vertreibung vorgesehen, für das letzte Drittel die Ermordung. Innerhalb weniger Monate im Jahr 1941 verloren bis zu 200.000 Serben bei ethnischen Säuberungen ihr Leben, viele arbeitsfähigen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert.

Auch Konzentrationslager gab es unter dem Ustaša-Regime, das größte davon in Jasenovac mit weiteren fünf Nebenlagern, wie das ehemalige Monarchiegefängnis in Stara Gradiška.

AKTION DIANA BUDISAVLJEVIĆ

Diana Budisavljević erfuhr Ende Oktober 1941 von den Zuständen und den inhaftierten serbischen und jüdischen Frauen und Kindern im Lager Loborgrad, das sich in der Nähe von Zagreb befindet. Sie beschließt, ihnen zu helfen, doch das ist zu Beginn beinahe aussichtslos. Die Jüdische Gemeinde in Zagreb konnte zu dieser Zeit für die inhaftierten Jüdischen Frauen und Kinder Hilfestellung leisten, doch für die Serbischen Frauen und Kinder war niemand zuständig. Sie bekamen keinerlei Unterstützung. Ihnen wollte Budisavljević helfen und suchte Unterstützung bei der Jüdischen Gemeinde. Die Jüdische Gemeinde Ustaša-Regime willigte ein, die Hilfsgüter von Diana mit in das Lager Loborgrad zu bringen.

Diana begann allerlei Sinnvolles für die Inhaftierten zu sammeln. Strohballen, Decken, Nahrung und Kleidung. Schnell sprach sich vor allem unter den Serben Zagrebs die Aktion herum. Immer mehr Menschen klopften bei Diana an und gaben ihre Spenden ab. Schnell und anonym sollte alles geschehen, denn keiner wollte negativ auffallen. Schließlich konnte man als Serbischstämmiger schnell verhaftet werden.

Als Dianas erste Lieferung ins Lager eintraf, erfuhr sie, dass davon praktisch nichts bei den serbischen Frauen und Kindern ankam. Der Lagerleiter ließ die Hilfslieferung konfiszieren, zurück nach Zagreb bringen und verkaufen. Diana Budisavljević war niedergeschlagen, wollte aber nicht aufgeben. Sie versuchte nun über eine offizielle Genehmigung Zugang zum Lager zu erlangen und ihre Aktion zu legalisieren.

DIE ERSTEN ERFOLGE

Sie sprach beim Zagreber Erzbischof vor, beim evangelischen Bischof von Zagreb und wurde stets abgewiesen. Wissend, sich in großer Gefahr zu bewegen, ließ Diana Budisavljević aber nicht locker ihre Aktion zu legalisieren. Nur so konnte sie sicher sein, dass ihre Hilfe auch wirklich den serbischen Frauen und Kindern zugute käme. Sie wandte sich direkt an das Regime – ein mutiger Akt, um nicht zu sagen verwegen. Nach vielen Gesuchen und Gesprächen erhielt sie im Februar 1942 die Erlaubnis Hilfsgüter nach Loborgrad zu senden und fünf Buben und sechs Mädchen aus dem Lager herauszuholen. Ihre Hartnäckigkeit wurde das erste mal belohnt.

Budisavljević verbrachte auch viel Zeit am Zagreber Hauptbahnhof. Hier versorgte sie Personen, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert werden sollten. Als eines Tages 400 Kinder aus Deutschland zurückkamen, da diese zu schwach zur Zwangsarbeit waren, schaffte sie es sie im Zagreber Gehörlosenheim unterzubringen, im Wissen, dass diese sonst in einem Kroatischen KZ gelandet wären. Gleichzeitig erfuhr sie von sehr vielen inhaftierten serbischen Kindern im Konzentrationslager Stara Gradiška. Die Unterbringung im Heim ermöglichte ein hoher Mitarbeiter des Kroatischen Gesundheitsministeriums, Kamilo Bresler. Bresler entpuppte sich von diesem Zeitpunkt an als eine der größten Stützen Dianas bei ihrer Hilfsaktion. Er war sehr angesehen in der Kroatischen Bevölkerung, durch seine Hilfe gelang es die befreiten Kinder in Familien unterzubringen.

Das KZ Stara Gradiška war eines der Außenlager des größten Lagers, dem KZ Jasenovac. Dort wurden während des Ustaša-Regimes mindestens 90.000 Serben, Juden und Roma ermordet, manche Zählungen sprechen sogar von weit über 100.000.  In Stara Gradiška waren bis zu 20.000 Kinder inhaftiert. Auch sie wollte Budisavljević retten.

KINDER AUS DEM KZ

Im Juni 1942 lernt Diana Budisavljević den Wehrmachtsoffizier Gustav von Kocijan kennen. Diana vertraut sich ihm an und offenbart ihm, dass sie serbische Kinder aus dem KZ berfreien möchte. Höchst riskant! Aber der Offizier willigt ein ihr zu helfen. Über Beziehungen gelingt es eine Erlaubnis von der Ustaša-Polizei zu bekommen. Die Vertreter des Dritten Reiches übten Druck auf den Chef der Polizei Slavko Kvaternik aus. Dieser war auch gleichzeitig Chef über alle Konzentrationslager in Kroatien. So schaffte Budisavljević es, Kinder aus Jasenovac und den Nebenlagern zu holen. Mit Hilfe des Roten Kreuzes und der Caritas gelang wurden tausende Kinder in Familien untergebracht und vor dem sicheren Tod im KZ gerettet.

DAS VERMÄCHTNIS VON DIANA BUDISAVLJEVIĆ

Diana Budisavljević rettete von 1941-1945 – eine genaue Zahl steht leider nicht fest – etwa 15.000 serbische Kinder aus den Konzentrationslagern der Ustaša.

1972 kehrte sie wieder nach Innsbruck zurück, wo sie 1978 starb. Sie ist am Friedhof in Wilten begraben. Ihre heldenhaften Taten blieben im Verborgenen. Bis das Kroatische Staatsarchiv und die Gedenkstätte des KZ Jasenovac 2003 Dianas Tagebuch veröffentlichten. Und damit die Erinnerung an diese besondere Frau wieder ins Bewusstsein holten.

Der Innsbrucker Gemeinderat beschloss einstimmig, auf Initiative des Serbisch-Orthodoxen Jugendvereins Innsbruck – SPOJI und des Sozialdemokratischen FreiheitskämpferInnenbundes Tirol, Diana Budisavljević mit dem Innsbrucker Verdienstkreuz auszuzeichnen.

Der Kindergarten im Stadtteil Reichenau trägt den Namen Diana Obexer-Budisavljević und ehrt die mutige Innsbruckerin für ihre heldenhafte Rettungsaktion.

Die Serbisch-Orthodoxe Kirche zeichnete 2012 Diana Budisavljević posthum mit dem “Kaiserin-Milica”-Orden aus. Der Serbische Staat zeichnete Diana Budisavljević mit der “Miloš-Obilić-Medaille” 2012 aus. Der damalige Präsident Boris Tadić verlieh ihr posthum den Orden.

GEDENKTAFEL IN INNSBRUCK

Am Geburtshaus von Diana Budisavljević, dem so genannten Obexer-Haus in der Maria-Theresien-Straße, wurde eine Gedenktafel errichtet und am 7. April 2021 enthüllt. Kontroversen um den Wortlaut stießen im Vorfeld eine öffentliche Diskussion an. Stein des Anstoßes: Solle die serbische Herkunft der Kinder erwähnt werden? Kritischen Stimmen zum Trotz sprachen sich im Dialog Historiker und Experten dafür aus. Der Text wurde angepasst, die serbische Herkunft der Kinder wird genannt. Mit der Gedenktafel hat Diana Obexer-Budisavljević einen würdigen Platz zur Erhaltung der Erinnerung an ihre heldenhaften Taten bekommen.

BIOGRAFISCHER ROMAN “DIANAS LISTE”

2017 erschien der Biografische Roman “Dianas Liste” von Wilhelm Kuehs beim Tyrolia Verlag.

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