Meine direkten Verbindungen zur Uni Innsbruck beschränken sich auf „Gastbesuche“ für Schwedischkurse am Sprachenzentrum vor gut zehn Jahren und für Zeichenstudien während meiner Schulzeit in der Abgusssammlung des Archäologischen Museums. Doch kaum eine andere Institution hat mein Umfeld so geprägt wie diese Hochschule. Nicht nur viele aus meinem Bekannten- und Freundeskreis haben dort studiert, sondern auch meine Lehrer, Ärzte und Vorgesetzten. Auch haben unterschiedliche Studien an der Uni Innsbruck viele Leute hierher nach Tirol geholt. Viele sind hängengeblieben und inzwischen liebgewonnene Arbeitskollegen, Freunde oder sogar ein Teil der Familie geworden.
Ohne je selbst an einer Vorlesung teilgenommen zu haben, durfte ich durch Freunde in den unterschiedlichsten Studien einiges miterleben. Die Geschichten waren stets spannend und reichten von tiefer Verzweiflung vor großen Prüfungen, über durchgearbeitete Nächte für Diplomarbeiten bis hin zu erfolgreichen Präsentationen, Auszeichnungen und Sponsionen.
Stadt und Universität
Noch prägender als für mich und mein Umfeld ist die Universität aber für die Stadt Innsbruck. Als Fremdenführerin darf ich Gästen die Vielseitigkeit Innsbrucks, der alpin-urbanen Hauptstadt der Alpen, näherbringen. Dabei gibt es für jede Führung wichtige Fixpunkte. Neben Geschichte und Kultur, Sport und Olympia, Natur und Berg ist dies unbedingt auch die Universität!
Ich bin kein großer Fan von Zahlen, doch die folgenden unterstreichen den Stellenwert der Uni recht deutlich: 16 Fakultäten, aktuell rund 28.000 Studierende und fast 5.000 Mitarbeitende – und: 350 Jahre. Für das Lebensgefühl in der Stadt ist all das wichtig und bedeutsam. Da die Gebäude der Universität auf die ganze Stadt verteilt sind, ist sie irgendwie auch immer präsent. Es gibt viele ausdrucksstarke Bilder von Innsbruck. Eines, das die vollbesetzten Innufer in Uninähe an sonnigen Juniabenden mit lernenden, diskutierenden und biertrinkenden Studierenden zeigt, gehört für mich unbedingt dazu. Ein gutes Bild vermittelt auch dieses Video:
350 Jahre Universität Innsbruck
ZWEI KAISER UND EINE SALZSTEUER …
Kaiser Leopold I. leitete 1669 mit dem „Haller Salzaufschlag“ die Gründung der Universität Innsbruck in die Wege. Der Salzaufschlag war eine Sondersteuer zur Finanzierung einer Tiroler Landesuniversität. Anfänglich war der Jesuitenorden für den Unterricht verantwortlich. Mit dem ersten Studienfach Logik wurde der Grundstein für die Philosophische Fakultät gelegt. Darauf folgten bald die Theologische und Juridische Fakultät, 1674 die Medizinische.
Die Vorlesungen fanden im ersten Hauptgebäude in der Herrengasse statt, heute ist dort die Landesbaudirektion untergebracht. Nachdem der Jesuitenorden aufgelöst worden war, übersiedelte man in die freigewordenen Räumlichkeiten in der Universitätsstraße. Dort ist heute noch die Theologische Fakultät zu finden. Die Universität erlebte im 18. Jahrhundert viele Reformen, unter anderem auch die Umwandlung in ein Lyzeum. Deshalb wurden Promotionen über Jahre ausgesetzt. Kaiser Franz I. bewilligte 1826 die Wiedererrichtung der Universität. Er war nach Leopold der zweite Kaiser, der der Universität schließlich einen Namen gab: Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
WACHSTUM UND AUFBRUCH
Durch neue Institute wuchs die Universität in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schnell, das Hauptgebäude wurde bald zu klein. Neubauten, wie zum Beispiel für die Medizinische Fakultät in der Müllerstraße, konnten helfen, reichten aber nicht aus. Daher wurden für den Unterricht auch Privatwohnungen (!) angemietet. Ab 1897 wurde die Universität schrittweise auch für Frauen geöffnet, die erste Promotion einer Frau folgte 1907. Ende des 19. Jahrhunderts stieg außerdem die Studierendenzahl erstmals über 1000.
Ab 1914 entstand ein neues Hauptgebäude am Innrain, doch noch bevor die Universität die Räumlichkeiten beziehen konnte, wurde dort im Ersten Weltkrieg ein Militärspital untergebracht. In der Bibliothek wurde eine chirurgische Station eingerichtet. Schließlich konnte die Universität 1924 das neue Hauptgebäude beziehen. Unter den Lehrenden in Innsbruck waren übrigens auch mehrere Nobelpreisträger, wie zum Beispiel Victor Franz Hess, Fritz Pregl, Adolf Windaus und Hans Fischer.
DUNKLE ZEITEN
Während des Zweiten Weltkriegs erhielt die Hochschule den Namen „Deutsche Alpenuniversität“. Es fanden „Säuberungsaktionen“ von beispielsweise jüdischen Professoren statt. Doch es gab auch Widerstand: Neben anderen setzte sich der Medizinstudent Christoph Probst gegen das NS-Regime zur Wehr. Er wurde als Mitglied der „Weißen Rose“ zusammen mit Hans und Sophie Scholl in München hingerichtet. Der Platz vor der Hauptuni ist seit 1994 nach ihm benannt: Christoph-Probst-Platz.
Die Wiedereröffnung als Universität Innsbruck kam nach Kriegsende im September 1945. Folglich wurde ein neuer Inskribierungsrekord erreicht. Die Nachkriegszeit war auch für die Studierenden sehr hart, deshalb gingen die Zahlen schnell zurück. Rektor Tillmann Märk versprach bei der Eröffnung des Jubiläumsjahres eine eingehende Beschäftigung mit der NS-Zeit an der Universität Innsbruck.
NEUE FAKULTÄTEN, NEUE GEBÄUDE
Für neue Fakultäten musste entsprechender Raum geschaffen werden. Somit entstand durch die Gründung der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der Campus Technik im Westen der Stadt. Dort wurden die ersten Gebäude 1970 eröffnet, dann folgten die Universitäts-Sportanlagen 1975, GEIWI-Turm und Bruno-Sander-Haus 1981. Außerdem wurden Werke moderner Architektur geschaffen: SOWI (Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät) 1999 und CCB (Centrum für Chemie und Biomedizin) 2012. 2004 wurde das Universitätsgesetz umgesetzt. Dadurch wurde die Medizinische Fakultät eine eigenständige Universität. Des Weiteren wurden die sechs Fakultäten an der Stammuni auf 15 neue Fakultäten aufgeteilt.
Einen großartigen Überblick zur Geschichte der Universität Innsbruck bieten übrigens online diese Meilensteine.
Mutiger Auftakt in das Jubiläumsjahr: „UNIFIED“
Das Eröffnungskonzert zum Universitätsjubiläum fand am 31. Januar 2019 im Congress Innsbruck statt. Die drei Ensembles der Universität Innsbruck, das sind Universitätsorchester, Universitätschor und die UniBigBand, boten ein spannendes, experimentelles, vielseitiges und mutiges Konzert. Dass die zahlreichen Musizierenden auf der Bühne kaum Platz fanden, zeigt auch, wie lebendig die Uni in musikalischer Hinsicht ist.
EINE URAUFFÜHRUNG ZUM JUBILÄUM
Zum Jubiläum hatte die Uni ein Auftragswerk bei der zeitgenössischen Komponistin Manuela Kerer, selbst mehrfach promovierte Abgängerin der Universität Innsbruck, „bestellt“. Ihr Werk „UNIFIED“ war neben anderen, auch klassischen Stücken das große Highlight des Abends. Kerer erklärte zuvor sehr charmant ihre Ideen und Intentionen, die Uni quasi zu vertonen. Mit dem Geklapper auf Tastaturen und vielen anderen Mitteln ist ihr das (meiner Meinung nach) auch ausgezeichnet gelungen. Die Komponistin gratulierte der Uni zum Mut, ein solches Projekt in Auftrag zu geben. Schließlich wurde dadurch eine Uraufführung ermöglicht. – Der Gratulation kann ich mich an dieser Stelle nur anschließen: Danke.
In seiner Eröffnungsrede betonte Rektor Tillmann Märk die großen Aufgaben der Universität Innsbruck, die in der Geschichte genauso wie in der Zukunft gelten: Altes Wissen bewahren, neues Wissen generieren und sowohl das eine als auch das andere der Jugend vermitteln.
JUBILÄUMSKALENDER
Das Eröffnungskonzert war nur eine von vielen, vielen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr. Im Folgenden dürfen wir uns auf zahlreiche Vorträge, Feste, Blicke hinter die Kulissen und Führungen freuen. Am 14. Juni 2019 findet zum Beispiel das Fest der Wissenschaft in der Universitätsstraße statt, den großen Festakt gibt es schließlich am 15. Oktober 2019. Zudem bieten einige meiner Austria-Guides-Kollegen laufend spannende Führungen rund um die Uni Innsbruck an. Darauf freue ich mich besonders.
DETAILS: Jubiläumskalender
Statements
Für diesen Artikel habe ich (ehemalige) Studierende der Universität Innsbruck um Statements und Anekdoten gebeten. Vielen Dank an dieser Stelle für die interessanten, amüsanten und vielseitigen Einblicke ins Studentenleben. (Fotos: privat)
EIN BLICK ZURÜCK …
OStR ALBERT WESSIAK erinnert sich an sein Chemie-Studium und an folgende Aussagen von Professoren: „Alles, was mit -ologie aufhört, ist in Wirklichkeit keine Wissenschaft.“ (Ludwig Hermann Bretschneider, Organische Chemie). Oder, sehr aufbauend: „Sobald man es versteht, ist es falsch.“ (Ekkehard Bechtold, physikalische Chemie, über Quantenmechanik) Er fügt hinzu: „Mein Studium ist halt schon sehr lange her. Schließlich habe ich schon die 300-Jahr-Feier mitgemacht.“
Studium Chemie, 1968–74; Abschluss an der Universität Konstanz (Dr.), 1980
ZIELSICHER DURCH DIE MATHEPRÜFUNG …
Mein Bloggerkollege WERNER KRÄUTLER erzählt folgende Anekdote: „Ich studierte Wirtschaftswissenschaften und musste mich daher auch mit Mathematik beschäftigen. Der Professor, ein älterer Herr, war es gewohnt, seine Kritzeleien mit der Kreide auf der Tafel selbst zu löschen. Er verwendete dafür immer zwei Fetzen, die er dann, ohne sich umzudrehen, mit Schwung nach hinten warf. Und einmal genau ins Gesicht eines meiner Kollegen! Denn wir saßen immer in der ersten Reihe. Das war vorausschauend geplant: In der Hoffnung nämlich, dass uns der Professor dann bei der Prüfung wiedererkannte. Dafür durfte man dann bisweilen einen Bonus kassieren: ohne die Antwort abzuwarten, bemerkte der Professor im besten Fall: ,Achja, Sie waren ja in meiner Vorlesung, ich werte die Frage als beantwortet.? – Zurück zum Fetzen: Mein Kollege, gar nicht blöd, warf die Fetzen zurück. Und das genau in dem Moment, als sich der Professor umdrehte. Sie landeten, eine weiße Wolke erzeugend, auf dessen Brust. Worauf der solcherart weiß verstaubte Herr die Vorlesung abbrach und bemerkte, dass er sich von Studenten doch nicht mit Fetzen bewerfen lasse. Aber beide haben wir die Prüfung in Mathematik geschafft.“
Studien Volkswirtschaft und Politikwissenschaften, Abschluss (Mag.) in Volkswirtschaft, 1979
STUDIEREN ALS PERSÖNLICHKEITSBILDUNG …
VERENA BROWN schreibt mir begeistert: „Ich gestehe: Ich habe immer gerne studiert. Studieren hat mir einfach Spaß gemacht, ja, ich würde sogar sagen, dass das Studieren für mich ein Privileg war. Anfänglich habe ich studienbegleitend gearbeitet, später neben der Arbeit studiert. Aber das Studieren war immer ein Teil meines Lebens, sozusagen persönlichkeitsbildend. Heute kann ich sagen, dass die Studienzeit eine große Bereicherung in meinem Leben war, die ich nicht missen möchte.
An der Universität eröffneten sich mir neue, unkonventionelle Denkräume, die Möglichkeit mich in Themen zu vertiefen und neues Wissen zu schaffen. Die Universität ist der Ort für Menschen, die getrieben sind von Neugierde und Forscherdrang. Es ist aber auch der Ort des Austausches mit Gleichgesinnten und einer globalen wissenschaftlichen Community zu der man sich – auch nach dem Studium – zugehörig fühlt.“
Studium Politikwissenschaft und Fächerbündel mit Schwerpunkt Kunstgeschichte, Pädagogik und Sozialkunde, Abschluss (Mag.), 2004; Studium der Europäischen Ethnologie, 2012
WER WAR NOCHMAL DIE GRÖSSTE PERSÖNLICHKEIT ALLER ZEITEN?
GERHARD SCHLEICHER erinnert sich an folgendes Zitat eines Dozenten (Alte-Geschichte-Proseminar): „Heute beschäftigen wir uns eingangs mit Julius Caesar, der größten Persönlichkeit aller Zeiten. Oder war dies vielleicht doch Ho Chi Minh?“ – Das lässt doch einiges an Spielraum offen …
Diplomstudium Geschichte, Abschluss 2015
MEDIZINSTUDIUM: PULSADERN, MUTTERMILCH UND VERKLEIDETE PROFESSOREN …
DAVID TROST hat an der Medizinischen Universität gleich mehrere Zitate und Erinnerungen für diesen Beitrag gesammelt: „An einem der ersten Vorlesungstage, im sogenannten UKM-Modul 1, meinte der Vortragende, dass uns ein spannendes, aber auch forderndes und anstrengendes Studium erwartet. Und wir uns doch bitte, sollten wir dem Druck nicht länger Stand halten können, die Pulsadern an den Handgelenken nicht quer, sondern längs aufschneiden sollten.“ – Puh, nach so einem Start ins Studium braucht es eine Portion Humor, wie zum Beispiel von einem Professor für Histologie und Embryologie: „Was ist das Beste an der Muttermilch? Na, die Verpackung!“
Die Unterrichtsmethoden beschreibt David so: „Es war am letzten Uni-Tag meines ersten Studienjahres, die letzte Anatomievorlesung. Auftritt Frau Professor Helga Fritsch – der späteren Rektorin unserer schönen Universität. Thema: Anatomie der inneren weiblichen Geschlechtsorgane. Um die anatomischen Verhältnisse im weiblichen Becken besser zu veranschaulichen, warf sie sich ein weißes Leintuch über den Kopf, schnappte sich zwei – ich glaube zumindest, dass es welche waren – Kokosnüsse und verkleidete sich so als überdimensionierte Gebärmutter.“
Studium Humanmedizin, Abschluss (Dr. med. univ.), 2018
Links
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck: Innrain 52, 6020 Innsbruck, Tel. +43 512 507-0, uibk.ac.at
Links zu: Veranstaltungen, Führungen, geschichtlichen Meilensteinen
Mehr auf dem Blog: Innsbruck, the college town
Bewerte den Artikel
Zeige mir den Ort auf der Karte
Tiroler Madl, Grafikerin, Bloggerin und Fremdenführerin mit vielseitigen Interessen und Schwäche für nette Menschen, Kultur, Sternenhimmel, noch ein Bier und Berge.
Ähnliche Artikel
Alle Jahre wieder steht unsere Bergiselschanze im Mittelpunkt der Wintersport-Welt. Heuer gilt es gleich zwei Jubiläen…
Allein, zu zweit oder alle zusammen? Eine Frage die uns besonders zum bevorstehenden Jahreswechsel wieder aufregend im…
Vom 25. bis 30.November 2021 traf sich der Davis Cup zur Finalrunde in Innsbruck. Sechs Nationen…
1976 war Innsbruck der Schauplatz einer der erstaunlichsten Abfahrten in der Geschichte des Skirennsports: Franz Klammers olympisches…