Das Kühtai zählt zu den schneesichersten Wintersportgebieten Österreichs – mit Schneegarantie von Anfang Dezember bis Ende April. Die Skitourensaison dort dauert aber noch um einiges länger. Warum?
Es ist Mitte April und bei mir zu Hause klingelt immer wieder das Telefon mit denselben Fragen. Ist es denn noch möglich, im Sellrain Skitouren vom Auto aus zu starten? Und wie lange hätten die Bergbahnen in Kühtai noch geöffnet? Liegt überhaupt noch Schnee? Mit einem Schmunzeln folgt immer wieder dieselbe Antwort: Skitouren sind bei uns ohne Skitragen bis weit in den Mai hinein möglich und die Bergbahnen schließen immer eine Woche nach Ostern. Und zwar egal ob der Winter schneereich war oder nicht. Und egal ob der Ostertermin auf Ende März oder Ende April fällt.
Dasselbe geschieht auch immer wieder im Frühwinter. Während es in den Voralpenbereichen noch grün ist und man nur schattseitig unter den höchsten Gipfeln ein bisschen Puderzucker erkennen kann, schaut die Welt in zentralalpinen Bereichen meist schon anders aus. Vor allem im Kühtai.
Warum gerade die Region Kühtai-Sellraintal?
Die Antwort ist im Grunde einfach: Die Kombination aus der geographischen Lage kombiniert mit der Höhe machen das Kühtai so schneesicher. Doch halt. Zentralalpine Regionen – zu denen auch das Kühtai zählt – sind verhältnismäßig schneearm. „Zentralalpin“ oder „inneralpin“ bezeichnet jene Gebiete, die tiefer im Herzen eines Gebirges liegen. Einige Bergketten befinden sich somit in jede Richtung vorgelagert zum Flachland oder zum Meer. Die hereinziehenden Frontensysteme erzeugen an den vorgelagerten Bergketten Stauniederschläge. Dadurch kommt nur mehr ein Teil der Feuchtigkeit in den zentralalpinen Regionen an und es schneit dort verhältnismäßig weniger.
In Zahlen bedeutet das: Während es beispielsweise an der Nordkette oberhalb von Innsbruck elf Meter und mehr an Neuschnee pro Saison gibt, fällt etwa 30 Kilometer weiter inneralpin im Kühtai nicht einmal mehr die Hälfte davon je Wintersaison. So weit, so gut. Doch heißt mehr Neuschnee nicht automatisch mehr gesetzten Altschnee und längere Schneebedeckungsdauer?
Darauf gibt es eine klare Antwort: Der Zusammenhang ist nur schwach ausgeprägt. Ausschlaggebend sind andere Rahmenbedingungen.
Die Höhenlage
Vor allem die Höhenlage und Lufttemperatur spielen eine Rolle. Während die Berge der Nordkette und vieler anderer, randalpiner Gebiete kaum über 2.500 Meter hinauskommen, gibt es zentralalpin weit über 3.000 Meter hohe Berge. Diese paar hundert Höhenmeter sind der ausschlaggebende Punkt. Mit jedem Meter den man weiter nach oben kommt ist es kälter. Damit schmilzt der verhältnismäßig wenige Schnee deutlich langsamer als der viele Schnee in den schneereichen Regionen.
Dazu kommt, dass es vor allem im Herbst, im Frühjahr und Sommer – wenn die Schneefallgrenze weiter oben liegt – auch öfter in den Zentralalpen schneit. Zwar gibt es nicht mehr Schnee als randalpin über den gesamten Winter gesehen, dafür schneit es vor allem zu Beginn und zu Ende der Saison häufiger. Denn randalpin regnet es währenddessen.
Die geographische Lage
Das Kühtai zählt zwar bereits zu den inneralpinen Gebieten. Es befindet sich allerdings genau genommen in einem Übergangsbereich: von den tief-zentralalpinen Regionen wie dem hinteren Ötztal oder dem Stubaital zu den nördlichen randalpinen Regionen wie den Lechtaler Alpen oder dem Karwendel. Dadurch bekommt die Region Niederschlag von Südstaulagen und Nordstaulagen ab. Nie extrem viel, aber immer etwas. Wir können nämlich vom häufigeren Nordstau ganz gut mitnaschen und auch bei Südlagen etwas Schnee abkriegen, wenn die Nordstaulagen leer ausgehen.
Herrscht ein Winter mit einer meist ähnlichen Hauptwetterlage vor – wie der „Südwinter“ 2013/14 – kommt es in den nördlichen Randalpen zum „Totalausfall“ in Sachen Skitouren. Im Sellraintal kann man hingegen ganz gut auf Skitour gehen. Gleiches Spiel bei einem „Nordwinter“. Südlich des Alpenhauptkammes kommt es zum Totalausfall. In den Nordalpen liegt extrem viel Schnee. In der Region Kühtai-Sellraintal findet man die optimale Schneemenge.
Die per Auto erreichbare Höhe
Kühtai ist der höchste Pass Österreichs der ganzjährig geöffnet ist. Sie wird immer geräumt und ist für jedermann mit Winterausrüstung befahrbar.
Fährt man von München oder Innsbruck nach Kühtai auf 2.020 Metern, durchwandert man in etwa so viele „Klimazonen“ wie bei einer Autoreise von München ans Nordkap.
Beginn der Ski(touren)saison
Gibt es genug Naturschnee, kann man immer wieder ab Ende Oktober im Gelände auf Skitour gehen oder die Pisten bereits Anfang November ohne technischen Schnee präparieren. Wenn Frau Holle der Winterschlaf einholt und sie sich nicht dazu entscheidet, die Alpen mir ihrer weißen Pracht zu beschenken, helfen heute die Anlagen zur technischen Beschneiung für die Pisten. Durch die Höhenlage und die Temperatur für die Beschneiung kann man so den Skispaß in Kühtai ab Anfang Dezember garantieren. Denn die Bedingungen zur Beschneiung passen auf über 2.000 m einfach auch in einem warmen, schneearmen Frühwinter meist. Während tiefer gelegene Gebiete wegen der höheren Lufttemperatur noch nicht technisch beschneien können.
Dass es hin und wieder auch erst im Laufe des Januars genug Naturschnee gibt um sinnvoll abseits des präparierten Geländes Skitouren unternehmen zu können, ist ganz normal. Das hat es immer schon gegeben. Auch in Zeiten kühleren Klimas vor mehreren hundert Jahren. Dies hängt an der allgemeinen Niederschlagsarmut der Alpen im Frühwinter durch die hohe Wahrscheinlichkeit lang anhaltender Hochdruckphasen zu dieser Jahreszeit. Jede Saison ist anders und an die momentane Wetterlage gebunden.
Dauer der Saison
Am Ende der Saison spielt die Region dann ihre ganzen Vorzüge aus: Der Schnee schmilzt viel langsamer als in tieferen Regionen. Ende April präsentiert sich Kühtai meist noch schneeweiß. Kaum etwas erinnert an den hereinziehenden Sommer – außer die bereits hoch stehende Sonne und der tolle Firn.
Schließen die Lifte beginnt noch einmal eine ganz besondere Zeit für Skitourengeher. Man kann durchschnittlich bis zum 1. Juni (!) in Kühtai vom Auto aus ohne Skitragestrecken direkt vom Auto eine Skitour auf den Gaiskogel unternehmen. Dies geht aus meinen langjährigen Aufzeichnungen hervor. Die Extremwerte reichen vom 20. Mai bis zum 14. Juni.
Man parkt sein Auto auf der Passhöhe neben Rennradfahrern und marschiert in kurzer Hose und T-Shirt entlang der Drei-Seen-Piste hinauf. Erstaunte Blicke der rastenden Motorradfahrer an der Passhöhe garantiert. Toller Pistenfirn ebenfalls!
Alpine Skitouren bis mindestens Mitte Mai
Wer sich von kurzen Tragestrecken nicht abschrecken lässt, findet im gesamten Sellrain noch gute Skitourenbedingungen bis weit in den Mai vor: Zum Beispiel auf den Sulzkogel über das Finstertal oder den Zwieselbacher Rosskogel von Haggen.
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Fast täglich in den Kühtaier und Sellrainer Bergen unterwegs: Mit einer Kamera und einem Auge für die Natur.
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