Die Unesco hat das Bergsteigen Ende 2019 auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. „Das Klettern und Wandern im Gebirge basiert auf vielfältigem Wissen über die Natur- und Wetterverhältnisse sowie die eigenen körperlichen Fähigkeiten“, erklärte die deutsche Unesco-Kommission in Bonn dazu. Der Alpinismus betone außerdem „Werte des Miteinanders und des verantwortungsvollen Umgangs mit der Natur“, heißt es.
Ein an sich kurzes Statement, das in sich aber wie die Materie selbst sehr komplex ist. Allein die Formulierung „vielfältiges Wissen“ bestätigt, dass es um mehr geht, als nur auf einen Berg zu steigen. Als eine, die im Herz der Alpen aufgewachsen ist, kann ich ein Wörtchen mitreden 😉 Schon von Kindesbeinen an übe ich mich im Alpinismus. Ich bin daher sicher eine „Berglerin“, wie man in Tirol zu sagen pflegt, aber noch lange kein Profi!
Eine Ode an das Bergsteigen
Rund um Innsbruck finde ich definitiv ideale Voraussetzungen, um meine Leidenschaft auszuleben. Habe ich früher meist einfachere Gipfel erklommen, so wage ich mich mittlerweile auch ins Hochgebirge. Das bedeutet, ich hänge jetzt öfters im Seil, habe Steigeisen an den Schuhen und den Pickel in der Hand. Aufregende Sache!
Obwohl ich zudem einige andere Sportarten betreibe, ist das Bergsteigen nach wie vor mein liebstes Hobby. Klar, mit dem Bike zum Beispiel, ist man schneller unterwegs. Das Erlebnis ist jedoch ein grundlegend anderes. Mir persönlich gibt die Entschleunigung, die stundenlanges Gehen und Schwitzen mit sich bringt jedenfalls mehr, als jeder Speedrausch. Außerdem kommt man zu Fuß wesentlich höher hinaus und die Aussicht von ganz oben ist nun mal die beste, wie ich meine 🙂
Gefahrenrisiko!
Das Adrenalin muss trotz Schritttempo nicht auf der Strecke bleiben. Es gilt durchaus schwierigere Passagen zu meistern – auch auf niedrigeren Bergen. Damit du von solchen „Schlüsselstellen“, vom Wetter oder anderen Faktoren nicht negativ überrascht wirst, ist es unabdingbar, dass du dich vor Antritt einer Bergwanderung eingehend über selbige informierst! Du solltest ebenso genau wissen, wie gut du (konditionell) drauf bist und natürlich muss die Ausrüstung dem Vorhaben entsprechen.
Es würde den Rahmen sprengen, alle sicherheitsrelevanten Tipps aufzuzählen. Deshalb nur noch so viel: Fehlende Tourenplanung und Selbstüberschätzung sind die Hauptunfallursachen. Tirols Bergretter rücken jährlich zigtausende Male aus, um Menschen in Bergnot zu helfen. Wenn du dir unsicher bist, solltest du zum Beispiel auch umdrehen können. Oder buche doch einfach einen Bergwander- bzw. Bergführer (unterschiedliche Kompetenzen!). An der Seite der Experten wird dein Abenteuer gewiss ein Erfolg.
Für Körper und Seele
Denn das ist es ja letztlich, was jeder Alpinist möchte: Einen Gipfelsieg als nachhaltig erfüllendes Erlebnis. Dass nämlich Bewegung in freier Natur nachweislich einen noch positiveren Effekt auf Gesundheit und Gemüt hat, als etwa Indoor-Sport, ist erwiesen. So ist etwa die Stimmung „on top“ unvergleichlich. Für mich besteht sie aus einer Mischung von Euphorie über das Geschaffte und einem angenehm ausgeprägten Abstand zur hektischen Welt im Tal. Die liegt einem noch dazu in Miniaturform zu Füßen – herrlich! Von der Weitsicht, die sich auftun kann, ganz zu schweigen.
Die Mühen der Tour sind jedenfalls mit den letzten Metern zum Gipfelkreuz schlagartig vergessen. Versprochen! Auf öfters begangenen Bergen steht fast immer eines. Gipfelkreuze dienen natürlich als Gipfelmarkierung, aber auch als religiöses Symbol. Sie können sehr klein oder mehrere Meter hoch sein und sind oft aus Holz und/oder Metall und neuerdings manchmal sogar aus Glas gefertigt.
Gipfelkreuze und ihre Bedeutung
„Gipfelkreuze waren nicht immer schon auf den Bergspitzen montiert – erst mit dem Alpinismus entwickelte sich dieses Kulturphänomen“, weiß Wolfgang Kunz. Der Autor aus Rum liefert in seinem Buch „Gipfelkreuze“ Antworten auf Fragen wie „Wer stellt überhaupt Gipfelkreuze auf?“ und „Warum tun das die Menschen?“ Und Kunz erläutert wie es dazu kommt, dass an Gipfelkreuzen heute oft bunte, buddhistische Gebetsfahnen im Wind flattern und anderes mehr.
An den Gipfelkreuzen findet sich außerdem häufig ein Behältnis mit einem Gipfelbuch. Sich darin einzutragen gehört genauso zur Bergtour, wie eine zünftige Jause zur Rast oder der kameradschaftliche Gruß „Berg Heil“ verbunden mit einem festen Händedruck nach getanem Aufstieg. Ja, das ist erlaubt und auf Gipfeln sogar Usus. In das Gipfelbuch schreibt man dann allerdings nicht nur, um dem eigenen Stolz über das Erreichen des vielleicht lang gehegten Ziels Ausdruck zu verleihen. Es geht auch darum, dass anhand der Aufzeichnungen im Notfall wertvolle Rückschlüsse über den Verbleib von Bergsteigern gezogen werden könnten …
„Der Berg so hoch, das Tal so fern, ach wär ich hier öfter gern“ – solche Sprüche sind neben dem Vermerk von Name, Datum und vielleicht Uhrzeit des Eintrags Gang und Gebe. Wobei sich nur Gipfelstürmer in Gipfelbüchern verewigen. Klettersteigaffine hinterlassen ihre Infos etwa auch zu Wetter oder der gewählten Route in Steigbüchern, Sportkletterer in Wandbüchern und Hüttengäste in Hüttenbüchern. Trotz der Aufforderung, „Kritzeleien“ zu unterlassen, verleiht zudem manch eine kunstvolle Zeichnung dem Gipfelbuch einen gewissen Charme. Wenn es die Bedingungen erlauben – und das ist beileibe nicht immer der Fall – nehme auch ich mir gerne Zeit zum Schmökern.
Das Bergerlebnis festhalten
Für diesen Beitrag kramte ich darüber hinaus im Archiv des Innsbrucker Alpenvereins. So manches ausgediente Gipfelbuch wird dort in der Bibliothek aufbewahrt. Andere verbleiben bei Hüttenwirten oder Vereinen – eben jenen, die die Gipfelkreuze „betreuen“. Weggeworfen wird jedenfalls keines. Es wäre auch schade, um diese zeitgeschichtlichen Dokumente voller (inbrünstiger) Anekdoten.
Ihr seht, das Thema Alpinismus ist in der Tat umfassend. Sowohl was das Erlebnis selbst als auch den Blick auf das Drumherum angeht. Dabei war hier vom wirtschaftlichen Aspekt noch gar keine Rede! Wer Lust hat, mehr zu erfahren, dem möchte ich abschließend noch das „Gipfelbuch“ von Dominik Prantl empfehlen. Der ursprünglich aus Innsbruck stammende und nun in München arbeitende Autor widmet sich in seinem Werk den entscheidenden Fragen des Berggängers.
Vom Wagen der ersten Schritte – im richtig gewählten Schuhwerk versteht sich – bis hin zu Kapiteln wie „Muss man am Berg grüßen?“ oder „Woher kommen die Spalten im Gletscher?“ gibt Prantl leicht verdauliche, erste Einblicke in das Bergsteigen. Überschriften wie „Wie imponiert man als Frau einem Extremkletterer?“ zeugen davon, dass dabei auch der Humor nicht zu kurz kommt. Eine feine Lektüre für all jene, die der Weg entlang der wundersamen Alpingeschichte direkt hinein in die Absurditäten des modernen Bergtourismus interessiert. Und die dabei vom Potenz steigernden Steinbockspray bis zum Murmeltierragout kein Detail außer Acht lassen wollen.
Ja und mir bleibt an dieser Stelle nur noch euch viel Spaß zu wünschen! Sei es nur theoretisch oder auch in der Praxis. 🙂
Alle Fotos: Tamara Kainz
Bewerte den Artikel
Zeige mir den Ort auf der Karte
Gerne draußen, "dahoam" am liebsten oben auf den Bergen. Vielseitig interessierter Schreiberling mit einem Faible für besondere Menschen und deren Geschichten, Sport und Natur.
Ähnliche Artikel
Vergessen Sie Plastikschlitten im Park - Rodeln in Innsbruck ist der ultimative Familienausflug. Sie wandern ein oder…
Wer hat sie schon erlebt, diese klaren, kalten Winternächte im Hochgebirge? Vielleicht auch noch bei Vollmond? Ein…
Die Rodelbahn von der Rumer Alm ist eine meiner absoluten Lieblingsrodelbahnen. Sie hat mit knapp vier Kilometern…
Als ich mit 16 Jahren nach Österreich kam, war Wintersport noch ziemlich exotisch für mich. Dann habe…