Er wird als Geheimtipp gehandelt. Deswegen hat mich die Begehung des Höhenwegs vom Alpengasthof Praxmar zum Westfalenhaus gereizt.
Die Beschreibungen versprechen nicht zuviel: Die Kulisse ist fantastisch.
Kurz entschlossen brechen meine Bergfreundin Helga und ich an einem Freitag im August zu dieser Bergwanderung auf. Da das Wetter nach Mittag schlechter werden soll, sind wir früh dran.
Morgenstund hat … Und es stimmt: Das frühe Aufstehen lohnt sich immer.
Vorbei an der Schäfalm ziehen wir bergwärts.
Bereits um 7 Uhr morgens parken wir am Ausgangspunkt. Hinter uns liegen die kurzweilige Fahrt durch das Sellraintal bis zum Abzweiger in das Lüsenstal und dann noch ein paar Kehren in Richtung des Weilers Praxmar. Das hier ist die stille Seite der Stubaier Alpen. Rund um die Sellraintaler Bergsteigerdörfer herrscht noch echte Ruhe. Sonst hätten die Gemeinden dieses Prädikat auch nicht verdient.
Große Gipfel rundum. Auch wir kennen nicht alle, die moderne Technik muss aushelfen!
Der Großteil des Aufstiegs wird gleich am Anfang absolviert.
Die Gesamtgehzeit für den Höhenweg ist mit etwa sieben Stunden angegeben. Die zu bewältigenden 1.200 Höhenmeter sind auf rund 17 Kilometer Strecke verteilt. Gut acht taleinwärts und ein bisschen mehr wieder retour. Das Schöne ist nämlich, dass man hier eine Runde machen kann. Ich mag Runden! Sie bringen mehr Abwechslung.
Kein Spaziergang
Los geht’s also. Das mit relativ leichtem Gepäck, denn abgesehen vom Üblichen wie gutem Schuhwerk, warmer Kleidung, Jause, Sonnenschutz & Co. ist keine spezielle Ausrüstung erforderlich. Eine gewisse Fitness und Trittsicherheit muss man allerdings schon mitbringen. Man bewegt sich doch durchgehend auf einem schwarzen Bergweg und schwarz bedeutet nun mal schwierig.
Nur einer Handvoll Wanderern begegnen wir heute.
Bald zeigen sich erstmals die Gletscherriesen im Talschluss.
Obwohl es heute Morgen sehr kühl ist, kommen Helga und ich schnell ins Schwitzen. Zu Beginn führt der Steig nämlich erst einmal relativ steil über Wiesen bergauf. Vorbei an Pferden, Kühen, Murmeltieren und der Schäfalm – die namengebenden Schafe sind auch schon wach. Die ersten Mühen werden rasch belohnt. Herrliches Almgelände tut sich auf und die ersten Dreitausender rücken ins Blickfeld.
Super Tour
Weil Praxmar auf beinahe 1.700 Metern Seehöhe liegt, erreichen wir bald die 2.500-Meter-Marke. Von nun an geht’s in stetigem Auf und Ab weiter. Wir durchschreiten mehrere einsame Kessel, bleiben dabei aber stets an den oberen Hängen. Die Landschaft ist karg und wir begegnen fast niemandem.
Prachtexemplar von einem Berg: der Lüsener Fernerkogel (3.298 m).
Wer gerne marschiert, ist auf dem Höhenweg richtig.
Halbzeit – auf dem Hinweg…
War es erst noch der sanfte Zischgeles (3.004 m), der das Panorama prägte, so beherrschen mit Fortdauer der Tour zunehmend die schroffen Gletscherberge des hinteren Lüsenstals die Aussicht. Der Lüsener Fernerkogel (3.298 m) ist besonders dominant. Ein wahrer Traumberg! Er wird auch das Matterhorn Nordtirols genannt. Leider habe ich ihn noch nicht besteigen können. Noch nicht!
Gipfelsieg in nächster Nähe
Ein Abstecher zu einem Gipfel bietet sich mit dem 2.767 Meter hohen Oberstkogel auch am Höhenweg an. Wir verzichten heute auf die gut eineinhalbstündige Draufgabe. Nicht, weil diese uns konditionell zu sehr fordern würde, sondern weil wir wettertechnisch einfach kein Risiko eingehen wollen. Noch strahlt die Sonne vom Himmel, aber der Umschwung kann bekanntlich rasant erfolgen.
Stellenweise ist der Weg versichert. Helga hält sich allerdings nur für das Foto am Seil fest. 😉
Langsam geht’s hinunter in Richtung Westfalenhaus.
Bleibende Eindrücke.
Einkehren gehört zu einer Bergtour einfach dazu!
Wir haben noch einige seilversicherte Passagen im Fels zu meistern, ehe endgültig das letzte Joch erklommen ist. Schließlich ist weit unter uns das Westfalenhaus zu sehen. Voller Vorfreude auf ein gschmackiges Mittagessen steuern wir die Schutzhütte des Deutschen Alpenvereins an. Kurze Pause! Mit gestilltem Durst und einer stärkenden Kaspressknödelsuppe im Magen nehmen wir wenig später den Retourweg in Angriff. Es ist nämlich noch ein Stück!
Es wartet noch ein langer Rückweg.
Nur ein paar hundert Höhenmeter weiter unten angelegt, bietet der Steig retour ein echtes Kontrastprogramm zum vorherigen Höhenweg.
Die letzten Meter.
Lange zieht sich der Sommerweg oberhalb des Klostergasthofs Lüsens hinaus. Durch satt-grüne Weiden und mystische Wälder, über Stock und Stein kommen wir unserem Ziel näher. Wird auch Zeit, denn die Wolken hinter uns haben sich merkbar verdunkelt! Erst auf den letzten Metern erwischt uns dann doch noch der Regen. Egal, wir haben heute schon gewonnen! Mit so einer prächtigen Runde in den Beinen und vor allem im Kopf fahren wir doppelt entspannt nach Hause. Wir sind uns einig, das Sellrain ist ein Wander- und Bergparadies!
Alle Fotos: © Tamara Kainz