Als Blogger habe ich ein Privileg, das ich mit meinen Lesern sehr gerne teile: Ich treffe Helden, Traditionalisten, Sportler, Musiker oder liebenswerte Sonderlinge – Menschen, denen ich sonst nie über den Weg laufen würde. Meine denkwürdigste Begegnung, wenn auch nur am Telefon, war Eddie the Eagle, Britischer Rekordhalter im Skispringen mit 73,5 Metern und Olympiateilnehmer in Calgary 1988 – ich war damals acht Jahre alt. Das Irre an Eddie: Der Adler konnte (kann) nicht besser Skispringen als ein Vogelstrauß und ließ für seinen Traum von Olympia immer wieder Federn: Genau deswegen hat er es wohl auch geschafft.
„Lass es lieber sein! Du wirst nie bei Olympia starten! Solche Sätze habe ich öfters gehört“, erzählt mir Eddie am Telefon aus einem Hotel in Sheffield, einer kleinen Stadt im Süden von Yorkshire. Seinen Besuch in Innsbruck für einen Videodreh auf der Bergiselschanze habe ich leider versäumt. „Ich wollte anderen immer beweisen, dass ich es doch kann, egal was.“ Der Engländer hatte für Olympia die denkbar schlechtesten Voraussetzungen: Weder war er sportlich oder talentiert, noch hatte er genügend Geld, um sich sein Training zu finanzieren – was in seinem Film „Eddie the Eagle“ (2016) thematisiert wird. „Es war jedoch nicht ganz so schlimm wie im Film“, gesteht er. „Ich hatte sehr viel Rückhalt von den Mitgliedern anderer Teams: Sie lernten von mir Englisch, ich von ihnen Ski springen“, lacht Eddie.
Der steinige Weg zu Olympia
Der Weg nach Calgary war dennoch blutüberströmt und steinig: Der Adler musste erst fliegen lernen, bittere Bruchlandungen und Durststrecken gehörten dazu. „Geschlafen habe ich in meinem Auto, auch im Winter. Mein Augenlicht war nie das Beste und meine starken Brillengläser beschlugen ständig, was das Springen nicht einfacher machte.“ Die anderen Athleten waren jünger, besser und leichter als er. Eddie war sozusagen das Sinnbild von Misserfolg als untalentierter Vogelstrauß mit Schnapsglasbrillen und schrägem Grinsen als Markenzeichen, der einfach nur fliegen lernen wollte. Keine guten Voraussetzungen für den Profisport. Aber er ließ nie locker, ist letztendlich abgehoben und erntete dafür auch noch Spott und Hohn. „Negative Menschen habe ich jedoch nie beachtet“, wird Eddie über sein Erfolgsrezept ernst. „Andere haben mir dafür Auftrieb gegeben, auf sie habe ich lieber gehört.“
Eddie „The Eagle“ Edwards.
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In Innsbruck ist Eddie natürlich zur Sprungschanze am Bergisel zurückgekehrt. Seit dem Umbau 2001 nach den Plänen der Stararchitektin Zaha Hadid gilt sie als Vorzeigeschanze in Europa. Bei der Vierschanzentournee 1985/86 gelang Eddie einen kunstvoller Sturz mit Prellungen am ganzen Körper, einer gequetschten Niere und einem gebrochenen Schlüsselbein. Tiefer konnte er nicht mehr fallen. „Ehrfürchtig ging ich an jene Stelle, an der ich aufschlug“, seufzt er. Ich kann es mir nicht verkneifen und frage ihn, ob er gleich gemerkt habe, wie schwer er gestürzt sei. Eddie ist wie immer des Lachens nicht müde und entgegnet mir schallend: „Schon in der Luft habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“ Der Grund für seinen Sturz: In Seefeld hat er Tipps seiner Trainingskollegen umgesetzt und so für seine Verhältnisse eine gute Performance hingelegt. Das wollte er wiederholen, aber: „Mein Schwerpunkt ist im Flug zu weit über meine Skier gewandert und schon war’s geschehen.“
Trotz der gestutzten Flügel wusste Eddie wieder nur das Positive zu sehen: „Im Krankenhaus in Innsbruck wurde ich sehr gut versorgt.“ Der Traum vom Fliegen zerschmetterte auch in Innsbruck nicht, es ging ihm bald wieder besser. Eddie ist übrigens öfter zu Besuch hier: Zum Ski fahren privat. Für Fernsehauftritte als Testimonial. Bei Skisprung-Bewerben als Zuschauer: „Ich liebe die Atmosphäre der Vierschanzentournee“, schwärmt er. „Manchmal genieße ich einfach den Blick von der Altstadt aus auf die Bergiselschanze.“ Es war sein erster Sommer hier, den er schön und gemütlich fand: „Ich habe gleich ein Runde mit dem Rad gedreht. Sensationell war’s“. Die Stadt ist schließlich eine Bike City.
Der Mann musste an sich und seinem Traum wie besessen festhalten. Bei so wenig Talent braucht es Glauben, der Berge versetzt, auch die Tiroler Dreitausender. „Ich war bei allen Bewerben mit Abstand letzter, da benötigt es immer wieder Motivation“, meint Eddie. Er hatte sie und landete am Ende in Calgary: „Alleine die Teilnahme war für mich so viel Wert wie eine Medaille.“ Seit seiner Kindheit wollte er zu den Olympischen Spielen, was er eisern verfolgte: „Das musst du, um deine Träume zu verwirklichen.“
Eddies Jammertal hat mit seinem Auftritt in Calgary aufgehört – mehr oder weniger. Zum Mehr: Sein olympisches Feuer brannte lange weiter. Er schmiss sich im Sturzflug ins Showbusiness, gelangte mit seinem Lied „Fly Eddie Fly“ in die Britischen Top 50 und landete zwei Hits in Finnland. Bei seinen vielen PR-Auftritten erschien er immer gut gelaunt und nicht selten im Adlerkostüm. Seitdem er für einen Augenarzt in Russland warb, trägt er seine markante Brille jedoch nicht mehr, weil er eine kostenlose OP erhielt. Und zum Weniger: In den 90er-Jahren hatte er über eine Million Euro verdient, die seine Treuhänder veruntreuten. Die nächste Bruchlandung? Nein. Er hat seine Treuhänder kurzerhand verklagt und gewonnen.
Daraufhin studierte er Jura, verzichtete jedoch auf eine Anwaltskarriere und kehrte in seinen erlernten Beruf als Maurer zurück. „Ich wollte lieber etwas mit meinen Händen machen.“ Heute verdient er sein Geld mit Gastauftritten in Skigebieten oder als erfolgreicher Keynote Speaker und Experte für Motivation. Aber immer wieder setzt er hier und dort eine Mauer. „Das erdet mich“, schmunzelt er. Seit der Verfilmung seiner Lebengschichte 30 Jahre später hätte es Eddie nicht mehr nötig, aber er tut, was ihm Spaß macht und ist gerade deshalb so erfolgreich.
Mit Eddies Hilfe zur Hochzeit
Nachdem ich Ed als lieben Kerl kennen gelernt habe, bitte ich ihn noch um einen ungewöhnlichen Gefallen, dem er zu meiner Überraschung sofort zusagt: Auf der Hochzeit eines Freundes von mir würde ich gerne mit seiner Videobotschaft für das Brautpaar einfliegen. „Of course, Il´l help you!“, höre ich ihn grinsen. Ed scheint sich geehrt zu fühlen. „Mail mir einfach ein paar Zeilen und ich schicke dir eine Message!“ Glücklicher als ein Kanarienvogel über seinen neuen Spielgefährten erzählte mir der liebe Freund bei einem Abendessen in der Altstadt in Innsbruck, er habe auf der Skisprungschanze in Calgary einen Typen kennen gelernt, der wiederum Michael Edwards kenne. Nun gut. Seine Euphorie über „ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt“ habe ich damals noch nicht verstanden, bis ich den Film über Michael Ewards´ Lebenswerk gesehen habe. Was er nach unserem Gespräch noch machen werde, will ich abschließend wissen. „Ich gehe jetzt frühstücken und eröffne mit einer Rede ein Einkaufszentrum.“
Leider durfte ich Eddie nicht persönlich begegnen, aber das Telefonat mit ihm war sehr angenehm und inspirierend. Die positive Energie nehme ich gleich auf eine Biketour auf die Höttinger Alm mit. Danke Eddie!
Für alle, die bis hier gelesen haben: Hier ein paar seiner legendärsten Sprünge und ein Interview von der Berigselschanze in Innsbruck aus dem Jahr 1988.
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