Wie aus einer Gourmet-Bergtour zur Pfeishütte plötzlich eine Abenteuer-Tour wird. Und: Wer die althergebrachten, ausgelatschten Wege verlässt, entdeckt aufregend Spannendes.
Für mich ist es Jahr für Jahr dasselbe ,Spiel‘. Ich warte schönstes Sommerwetter ab, begebe mich zum Kongresshaus Innsbruck und fahre mit der Hungerburgbahn in den Himmel über der unbestrittenen Hauptstadt der Alpen. Mit einer Innsbruck-Card übrigens. Aber das Hafelekar ist für mich in diesem Fall nur eine Zwischenstation. In Wahrheit habe ich um diese Jahreszeit die Pfeishütte im Visier. Und dort vor allem den Gulaschkessel.
Auffahrt zum Hafelekar: Dort beginnt der einzigartige Goetheweg.
Auf dem Goetheweg geht‘s zuerst entlang der steil ins Inntal abfallenden Hänge der Nordkette. Dieser Weg ist für mich immer wieder eine Offenbarung. Hoch über der Hauptstadt der Alpen eröffnet er Ausblicke auf Innsbruck, wie man sie sonst nur aus Bildbänden kennt. An schönen Sommermorgen erahnt man den Alpenbogen und sieht von den Zillertaler- über die Stubaier bis weit hinein in die Ötztaler Alpen.
Es wäre nicht Innsbruck, wenn nicht Tiere auf den Almen rund um die Stadt immer wieder für Überraschungen sorgten. Auf den kargen Hängen entlang des Goetheweges sind es Schafe, die hier in luftiger Höhe die alpinen Kräutlein abweiden. Bilder von seltener Intensität: unten die Stadt, hoch heroben die weidenden, wolligen Almtiere. Wo gibt es das noch?
Das ist einzigartig: Schafe auf einer Alm hoch über Innsbruck.
Der „Zugspitzblick'“ am Goetheweg
Nach einem kleinen Aufstieg auf den Nordkette-Grat eröffnet sich dem staunenden Wanderer dann aber ein wahrlich atemberaubender Blick auf die andere Seite der Nordkette: die zerklüfteten Kalkberge des Karwendel übernehmen nun die Hauptrolle dieses fantastischen Open-Air-Spektakels. Sogar die Zugspitze ist hier zu sehen und – man möchte sagen als Hommage an die deutschen Gäste – auch dementsprechend ausgeschildert.
Die Kalkriesen des Karwendel-Gebirges vom Goetheweg aus betrachtet
Von der Mandlscharte aus liegt nun das hintere Gleirschtal vor den Bergfexen. Nach rund 1/2 Stunde Abstieg taucht die Pfeishütte dann – wie aus dem Nichts – auf. Für mich vor allem eine Hütte mit einem Alpen-Gourmet-Angebot und einem riesigen Gulaschkessel, um ehrlich zu sein. Und darin köchelt jenes Fleischgericht vor sich hin, das für mich zum Besten gehört, was auf Tiroler Hütten zu kriegen ist: das Pfeis-Gulasch. Wohltuende Sättigung und Inspiration zugleich.
Umrahmt von Almrosen steigen die potentiellen Pfeishaus-Gäste zur Hütte ab.
Seit nunmehr vier Jahren betreiben Vroni und Michael mit wachsendem Erfolg diese Hütte. Eigene Programme für Kinder, Spiel und Spaß auch für die Erwachsenen. Und vorzügliches Essen. So einfach ist es, gewürzt mit Freundlichkeit und Zuvorkommenheit, ein Stammpublikum zu erarbeiten, das sich auch rege via Facebook für die Neuigkeiten interessiert.
Das Pfeis-Gulasch, eine Zauberspeise?
Ausgerechnet heuer hat das Gulasch auf mich aber wie ein Zaubertrank gewirkt. Ursprünglich wollte ich nämlich auf demselben (ausgelatschten) Weg zurück – also wieder über das Hafelekar und dann mit der Nordkettenbahn zu Tal. Ich hatte sogar kurz überlegt, ein Spezialangebot der Pfeishüttenleute anzunehmen: die „Halbpension auf 2000 Meter“. Ein einmaliges Angebot wenn man’s genauer betrachtet. Aber mit dem Mumm des Fleischgerichtes in den Knochen strebte ich nach mehr. Weshalb denn nicht zu Fuß nach Scharnitz, redete ich mir ein. Die 20 km sind ja sicher ein Lercherl.
Das von Gletschern geformte Gleirschtal in Richtung Scharnitz
Die Möslalm am Weg nach Scharnitz
Gesagt getan. Nach einem letzten Stück eines vorzüglichen, stets selbst gebackenen Pfeiskuchens als finale Stärkung ging’s bergab. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Dort, wo normalerweise nur Mountainbiker hinaufkeuchen – Minimal-Steigung im Schnitt geschätzte 10 % – rutschte ich mehr zu Tal als ich ging. Bis zum Gleirschbach hinab, von dem der Weg dann moderat abwärts bis zur bekannten Möslalm führte, die nach rund 2 Stunden wie eine Fata Morgana vor mir auftauchte.
Die Gleirsch – ein Zufluss der Isar – hat sich tief in das Kalkgebirge des Karwendels gegraben
Aber dann wurde es spannend. Zwei deutsche Urlauber hatten mir am Weg von einer wilden Klamm erzählt, die der Gleirschbach tief in die Kalksteine des Karwendels gegraben habe. Von Wegen und Stegen, die noch so urtümlich seien, dass man auch tatsächlich jeden Schritt genau setzen müsse. Und das beste: die Klamm ende sozusagen im Ort Scharnitz. Ich musste also ganz einfach die Gleirschklamm erkunden.
Hier braucht’s ein wenig Mumm in den Knochen: einer der Stege in der Gleirschklamm.
Die nächsten drei Gehstunden hatten es dann allerdings in sich. Nach rund 1 Stunde entlang des Fahrweges zweigt die Gleirsch-Klamm nach links ab. Und eröffnet dem ahnungslosen Besucher eine Welt, wie sie in Abenteuerromanen geschildert wird: ein Bächlein zwängt sich durch eine grotesk zerklüftete Schlucht, die von einem Weg erschlossen wird, wie er abenteuerlicher kaum sein kann.
Jedenfalls achtete ich mehr als nur einmal ganz genau auf meine Schritte, hielt mich an den in den Felsen geschraubten Seilen und versuchte erst gar nicht, in die Tiefe zu blicken und dabei den Weg zu vernachlässigen. Das Wort ‚wildromantisch‘ gewinnt in dieser Klamm eine neue Bedeutung. Betonung auf wild.
Der Weg, der das unmittelbare Klamm-Erlebnis zum Abenteuer werden lässt.
Nach rund 1 1/2 Stunden, vom Einstieg weg gerechnet, tritt man aus der vom tosenden Gleirschbach geformten Klamm heraus. Das enge Tal weitet sich, der Glerischbach wird zu einem Gebirgsfluss, der die Isar speist, die aus den Nebenal ausfließt. Um ehrlich zu sein: ich hab schon aufgeatmet, als ich die letzten Meter des Weges vor mir sah.
Die Gleirsch in Scharnitz, nachdem sie ihre Klamm tosend und brüllend durchflossen hat.
Informationen zu dieser abenteuerlichen „Karwendel-Runde“:
– Fahrt mit der Nordkettenbahn auf das Hafelekar;
– Zwischen 1 3/4 und 2 Stunden Wanderung auf dem Goetheweg auf die Pfeishütte;
– Von der Pfeishütte bis zur Möslalm benötigt man 2 Stunden. Auf der Möslalm gibt es dann die Möglichkeit, ein Fahrrad bis Scharnitz – um 8 Euro zu mieten. Mit dem Mountainbike ist man in rund 1/2 Stunde in Scharnitz. Es geht dabei meistens abwärts.
– Weit spannender ist die Abenteuerwanderung durch die Gleirsch-Klamm. Von der Möslalm bis Scharnitz muss man in diesem Fall mit einer 3-stündigen Wanderung rechnen.
– Rückfahrt mit dem Zug nach Innsbruck. Selbst an Wochenenden gibt es ausreichend Möglichkeiten ohne allzu lange Wartezeiten.