Wer erinnert sich nicht gerne an jene tapferen HeldInnen, deren mutige Taten einen bereits als kleines Kind zum Nacheifern inspirierten? HeldInnen, die dank besonderer Fähigkeiten – oder gar mit Superkräften ausgestattet! – gegen gemeine ZeitgenossInnen kämpften und sich trotz widriger Umstände stets für eine gerechtere Welt einsetzten. Dass man den HeldInnen unserer Zeit nun in Klinikfluren oder an Supermarktkassen begegnet, erinnert uns stellvertretend an all jene Menschen, die schon längst vor Corona das ihre dazu beitrugen, das zarte Papierschiffchen der Alltäglichkeit über Wasser zu halten.
Seit Corona hat sich die Wahrnehmung von AlltagsheldInnen ein wenig geschärft. ©Hubert Flattinger
HeldInnen aus Kindertagen
Blättert man in alten Comicheften, erinnert man sich vor allem an die spektakulären, mitunter geheimnisvollen Outfits von Batman, Catwoman, Supergirl, Zorro und wie sie alle heißen. Ihnen allen ist gemein, dass sie ihre Gesichter hinter Masken verbergen, weil sie abseits ihres HeldInnendaseins ein „normales“ Leben führen. Clark Kent (Superman) etwa geht für gewöhnlich seiner Arbeit als Journalist in einer Redaktion nach. Erst wenn es einer besonderen Heldentat bedarf, wechselt er (situationsbedingt oftmals in einer Telefonzelle) sein Gewand und zischt alsbald mit rotem Cape durch die Lüfte. Dieses Doppelleben faszinierte, weil es auch an das eigene Dasein erinnerte – an die Wünsche und Sehnsüchte eines gewöhnlichen Jungen, der davon träumt, seine Liebste mit einer Heldentat zu beeindrucken, etwa einen Laster mit bloßen Händen hochzustemmen …
HeldInnen bedienen sich Masken verschiedenster Form und Funktion. ©Hubert Flattinger
Anderas Hofer versus Cartwright
Bereits in der Volksschule wurden wir trainiert, den Taten eines Tiroler Volkshelden mit besonderem Respekt zu begegnen: Andreas Hofer. Immerhin trug der Mann aus dem Passeiertal so etwas Ähnliches wie einen Cowboyhut auf seinem schütteren Haupt. Dennoch musste sich Hofer (zumindest bei mir Zuhause) hinter den Cartwrights anstellen, deren TV-Abenteuer in den späten Sechzigern über den Bildschirm flimmerten. Die Eingangssequenz von Bonanza beschert mir bis in diese Tage eine wohlige Gänsehaut. Hofers Säbel konnte mit einem Revolver nicht mithalten. Und für einen Ritt auf Little Joes geschecktem Indianerpony hätte man glatt das Taschengeld eines ganzen Monats springen lassen. Freilich gab es damals auch noch andere TV-HeldInnen: die bezaubernde Emma Peal etwa! Wenn die karatekundige Agentin an der Seite ihres Partners John Steed in Mit Schirm, Charme und Melone bösen Spitzbuben in London den Garaus machte, wurde damit gleichzeitig auch ein bisschen die eigene kleine Welt rund um die Innsbrucker Bürgerstraße einen Hauch sicherer.
Coole HeldInnen begleiten einem durch das ganze Leben. ©Hubert Flattinger
Erdachte und reale Vorbilder
Dann wurde man älter, das ging ganz von allein. Und die HeldInnen wurden, ähnlich wie man selbst, auch erwachsener. Und man begegnete den Vorbildern nun nicht mehr ausschließlich via TV oder auf der Kinoleinwand des Metropol- oder Nonstop-Kinos, sondern mehr und mehr in Büchern. Dass gerade die bitteren Zutaten wie Leid, Zweifel und Ängste Menschen zur Selbstüberwindung bewegten, den Keim bilden, um sich für andere (gleich wie für sich selbst) einzusetzen, erfuhr man nun anhand von Romanhelden wie Atticus Finch (Wer die Nachtigall stört, Harper Lee). Weitaus stärker beeindruckten die realen Berichte und Erlebnisse einer Anne Frank oder Dokumentationen über das Wirken der Geschwister Scholl und ihre Widerstandgruppe Die weiße Rose, deren Mitglieder während der Herrschaft der Nationalsozialisten auch in Innsbruck ihr Leben aufs Spiel setzten.
Bücher helfen den Blick auf reales Heldentum und Tapferkeit zu fokussieren. ©Hubert Flattinger
HeldInnen wie du und ich
Was zeichnet nun eine moderne Heldin, einen modernen Helden aus? Für die eine oder den anderen von uns ist es schon eine Heldentat, frühmorgens aus den Federn zu kriechen, die Blumen zu gießen oder sich die womöglich bereits gestern abgelaufene Milch in den Kaffee zu schütten. Freilich kann man sich (je nach Temperament und Verfassung) auch kühnere Taten vornehmen, um dem neuen Tag mit seiner ureigenen Bekanntschaft ein Lächeln abzuringen. Überwindung ist der Schlüssel zu einer Heldentat, sich zu ermutigen, etwas zu tun – etwas in Angriff zu nehmen! Und sei es nur, einer grantigen Person freundlich zuzuzwinkern. Oder einem Straßenmusiker anstelle von fünfzig Cent mal einen Schein in den Hut zu werfen.
Spiderman lebt!
Vor ein paar Jahren – und es war nicht zur Faschingszeit – fiel meinem Freund Thomas und mir bei einem spätnächtlichen Spaziergang ein Mann auf, der im Kostüm von Spiderman durch die Gänge der Rathausgalerie hastete. Thomas und ich mutmaßten eine verlorene Wette als Grund. Oder eine alberne Mutprobe. Wie auch immer. Der Mann tat es und wir zollten ihm dafür unseren Respekt. Erich Kästners berühmter Spruch „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ bringt es bestes auf den Punkt: Lasst uns HeldInnen sein und – zur Not auch ohne Superhelden-Outfit – auf der Stelle damit beginnen! Jetzt!
Und irgendwann kommt die Zeit, wo man die Maske fallen lässt … ©Hubert Flattinger