Wer vermisst sie nicht, die geliebte alte Tretmühle vergangener Tage, bevor ein Virus kam, sich im Gebälk verkeilte und damit der gewohnten Raserei Einhalt gebot? Plötzlich ist alles anders und man ist auf sich selbst zurückgeworfen. Hat mehr Zeit als sonst was und weiß dennoch kaum damit umzugehen. Im Urlaub oder an den Wochenenden ist man darauf abgerichtet sich zu entspannen. Aber wie soll so etwas an „normalen“ Tagen gehen?
Am Ufer des Mississippi
Müßiggang! Vorweg: sich von etwas auszuruhen, heißt noch lange nicht, sich auch wirklich auf jenen Zustand einzulassen, der einen schnurstracks ins gold beschienene Paradies des gelassenen Seins entführt. – Etwa zurück ans Ufer des Mississippi, wo man als Kind an der Seite von Tom Sawyer und Huckleberry Finn sich das Lager teilte. Einen Apfelputzen gegen die Sonne hielt, um dessen Konturen mit etwas zu vergleichen, bis man letztlich zum Schluss kam, dass der Apfelputzen an nichts weiter als eben genau an einen solchen erinnerte. Das nahmen wir hin. Ohne auch nur im leisesten darüber gekränkt zu sein, dass sich aus der Situation kein genialer Gedankenfunke gewinnen ließ. Dermaßen gelassen sah man in jenen fernen Tagen der Welt ins Gesicht.
Quasi die „Bibel“ für angehende MüßiggängerInnen: Mark Twains berühmter Literaturklassiker. © Foto: Flattinger
Ohne eigenes Zutun
Ja, vom guten alten Huck und dem lieben Tom konnte man sich vieles abschauen! Wer in die Holzfässer ihrer Universität kroch, weiß, dass sich ein Tag auch ganz ohne unser Zutun in all seiner Pracht und Schönheit zu entfalten weiß. Und genau das ist der springende Punkt! Tu nichts! Lass dich treiben. Verlier dich in den Spiegelungen einer Wasserpfütze! Unterscheide Vogelstimmen. Stelle durch bloßes Verharren fest, wie sich die Erde dreht und das Licht zu jeder Stunde ein anderes wird. Und wird dir unter dem Hintern kalt, ist das noch lange kein Grund, in Panik zu geraten, um in der Folge gleich ein ganzes Haus aus dem Boden stampfen zu müssen! Also, obacht Freunde! Stattdessen vielleicht einfach mal den Gedanken zulassen: Was könnte man als nächstes NICHT tun?
Alleine schon eine Pfütze in der sich die Sonne badet, ist des Müßiggängers ganzes Glück. © Foto: Flattinger
Faul sein ist wunderschön
Etwas nicht zu tun ist schon mal ein guter Anfang. Jetzt nur nicht nervös werden. Abwarten und Tee trinken, sagten die Leute früher oft. Und man erinnert sich an die Fernsehwerbung, summt den bekannten Ca- Stevens-Ohrwurm „Father and Son“ zu den Worten des Werbeslogans: „Wenn der Teekessel klingt und der Gold-Teefix duftet, dann hast du’s gut, dann hast du’s gut, ja, dann hast du’s richtig guuuuttt!“ Aber auch von Astrid Lindgrens wundervoll anarchistischen Pippi Langstrumpf kann man lernen. – Etwa wenn sie mit Thomas und Annika auf dem Rücken des Kleinen Onkels durch Wald und Flur reitet und singt: Faul sein ist wunderschön.
Weise Worte … ©Foto: Flattinger
Weitere Lieder zur Inspiration
Auch „Take it easy“ von den Eagles kann helfen, den Pulsschlag in einen gemütlichen Takt zu bringen, ebenso wie sich bei Müßiggang-Seminaren für gestresste Manager und Wirtschaftstreibende aus den höheren Etagen der Frank Sinatra Klassiker „Summerwind“ bestens bewährt hat. Und wer mag sich dem Charme des freundlichen Zottelbärs aus Walt Disneys „Das Dschungelbuch“ entziehen , wenn der uns swingend rät: „Probiers mal mit Gemütlichkeit“. Für Freunde der Klassischen Musik empfiehlt sich zur Einstimmung auf einen gepflegten Müßiggang Faures Sicilienne und natürlich Dvöáks Serenaden für Streicher. Wer da nicht selig am Sofa zusammen sinkt und sich freut, wenn selbst Hund und Katz es einem gleichtun, dem ist schwer zu helfen. Und wie wunderbar mit einzustimmen, wenn Sir Paul McCartney singt: „Speaking Words of Wisdom … let it be„.
Zwei, von denen man sich etwas abschauen kann … ©Foto: Flattinger
Die Karriere eines Taugenichts
Hinweg mit der inneren Rastlosigkeit! Der Rastlose findet Rast, indem er verweilt. Einmal die Karriere eines Taugenichts anzustreben, der zu nichts anderem taugt, als zum bloßen Sein. Einmal Schnecke sein, auf der eigenen Spur dahin zu rutschen, während alles im wilden Rausch und unfassbaren Tempo des digitalen Wahnsinns an einem vorüber huscht. Als einzige Reaktion mal leicht den Kopf übers Kissen zu heben, um zu raunen: „War was?“ Sollen die anderen doch ihren ihren Mount Everest erklimmen, du schätzt die Aussicht eines kleinen Balkons! Und plötzlich bietet das Treiben der Schwalbe unter dem Dachfirst weitaus mehr Unterhaltung als der ganze Hofstaat eines Zoos. Der/die echte MüßiggängerIn hält sich zurück, raubt keinem Gänseblümchen das Licht, indem er oder sie einen Schatten auf das Blümchen wirft. Und nun los! Es gibt noch so viel nicht zu tun!
Und wer Oscar Wilde nicht glaubt, ist selber schuld. ©Foto: Flattinger